Dave Davies: Der Kinks-Gitarrist und sein Solo-Juwel AFL1-3603

Mittlerweile gibt es wahrscheinlich ein paar hundert Zusammenstellungen für das sogenannte „Lost Album“ von Dave Davies, welches nach seinem großen Single-Hit „Death of a Clown“ zwar geplant war, aber dennoch niemals erschien. Dave war damals ziemlich oft betrunken und konnte mit dem Ruhm nicht umgehen. Nach dem zweiten, kleineren Erfolg mit „Susannah’s still alive“ war das Ende der Fahnenstange erreicht. Ein paar Auftritte im Fernsehen, unter anderem auch im deutschen Beat Club, und Dave reihte sich wieder bei den Kinks als Lead-Gitarrist und Bruder von Ray Davies ein. Ray ist bis heute ein Stinkstiefel und leider ein genialer Komponist und vor allem auch Texter. Die Kinks gehören zu meinem musikalischen Lieblingen.

Dave und die Kinks

In den siebziger Jahren schrieb Ray Davies mehrere Konzept-Alben, die alle sehr gut aber komplett erfolglos waren. Clive Davies holte die Band dann zum Arista-Label, verlangte aber eine Abkehr von erfolglosen Rock-Opern und eine Hinwendung zu konzisen Rock- und Popsongs. Ray gab sich geschlagen und nahm ab etwa 1976 eine Reihe von wunderbaren Rockalben auf. Auf „Sleepwalker“ folgte „Misfits“, dann „Low Budget“ und mit „One for the Road“ein Live-Album. Die Aufnahmen erfolgten im bandeigenen Tonstudio „Konk“. Und während dieser ganzen Zeit konnte man auf den oben genannten Studio-Alben die Gitarrenarbeit von Dave Davies bestaunen. Hören wir uns das Album Misfits* an, wird beim Titelsong sofort klar, was ich damit meine. Mehrere Licks, entweder mit der akustischen oder der elektrischen Gitarre verzaubern den Song.

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Der kleine Bruder von Ray schaffte es zwar nicht, alle seine Songs auf einem Kinks-Album unterzubringen, er komponierte und konstruierte in den den Arrangements aber so viele kleine Details, wie niemals zuvor. Die Songs wurden von der Band aufgenommen, Ray sprach in TV-Berichten davon, dass er unbedingt die Technik im Studio beherrschen wollte, sein Bruder kam in diesen Berichten nicht vor. Hated fällt mir dazu nur ein.

Dave Davies (AFL1-3603)
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Dave Davies (AFL1-3603)

1980 erschien völlig unerwartet das Solo-Album von Dave Davies. Für mich hieß das Album immer „Dave Davies“, später tauchte dann die Katalognummer AFL1-3603 als Titel auf. Egal. Zehn Stücke, die auf einem Kinks-Album seinem Bruder Ray die Luft weggeatmet hätten – so gut waren die Lieder. Für das Intro des ersten Songs „Where do you come from“ gibt es volle 10 Punkte. Dave hat die komplette Musik bis auf wenige Ausnahmen selbst eingespielt. Sind es drei oder vier oder fünf Gitarrenläufe, die hier übereinander geschichtet werden? Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß, ist, dass diese Platte keinen Leerlauf hat.

Der zweite Song „Doing the best for you“ hätte ein Hit werden können, ja, müssen. Ein Ohrwurm, bis heute. Danach wird es etwas ruhiger und mit „Visionary Dreamer“ gibt es die erste Ballade und wieder ein Volltreffer. So geht es in einem fort, jeder Song bleibt hängen und im Prinzip ist es Hardrock und dann wieder nicht. „Nothin‘ more to lose“ wechselt vom Pop-Song zum Rock-Song und wieder zurück. Alle Stimmen kommen von Dave, alle Gitarren sowieso und auch hier sind es einfach nur viele verschiedene Licks, die der Musiker stapelt. Und zwischendurch gibt es endlose Gitarrensoli. Manchmal möchte man gar nicht, dass der Song nach drei Minuten ausgeblendet wird.

Imaginations Real

„Imaginations real“ durfte Dave auch live mit den Kinks spielen, ich habe glücklicherweise noch irgendwo eine Kassette mit dieser Aufnahme. Dieser Song hätte ebenfall ein Hit werden können. Leider fand Dave Davies nirgend wo statt, weder im Radio noch im Fernsehen. Und in Deutschland schon gar nicht. Gottseidank gab es damals eine wohlwollende Plattenkritik im Musik Express.

Run

Das Sahnehäubchen des Albums kommt ganz zum Schluß. Ich weiß nicht, wie oft ich „Run“ bis heute gehört habe, vielleicht mehr als tausend Mal. Wer von Fleetwood Mac „Go your own way“ kennt, wird immer bis zum Schluß auf das Gitarrensolo von Lindsey Buckingham warten. Es ist dieser Moment, wenn er das Plektrum von unten nach oben über die Saiten zieht und diesen einen Kontrapunkt setzt. Genau das gleiche macht Dave bei diesem Stück. Es sind mehrere Soli, die hier hintereinander gespielt werden – und jedes steht für sich allein. Mal werden mehrere Gitarrenläufe unisono gespielt, rechts und links im Stereo-Klangbild, mal alleine und immer hoch melodiös. Besser kann es gar nicht sein.

Ein Schatz für 5 Euro

Textlich kann Dave mit seinem Bruder Ray nicht mithalten. Muß er aber auch nicht. Hier sind die Songs von gleichbleibender hoher Qualität und es ist völlig egal, worüber er singt. Das alles ist nun schon sehr alt und die zwei nachfolgenden Alben waren etwas schwächer, die Plattenfirma verlor schnell das Interesse an Dave. Trotzdem sind „Glamour“ und auch „Chosen People“ noch ganz ok, aber eben nicht mehr so gut wie dieses eine Album, auf das Dave zu recht stolz sein kann.

Vor ein paar Monaten habe ich die Platte auf einem Wühltisch für 5 Euro gefunden und mitgenommen. Die Qualität war mint und der Vorbesitzer hatte wohl keine Ahnung, was für einen Schatz er besessen und offensichtlich nicht gehört hat. Also, geht raus und holt sie euch. Solange es noch Vinyl-Schätze wie diesen gibt, ist alles gut.


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