Hold out – Jackson Browne

Jackson Browne kam am 9. August 1980 zu mir nach Hause. Ich kannte seine Musik noch nicht, ich hatte keine Ahnung, auf was ich mich da einließ. Seit ich meine Ausbildung zum Bürokaufmann begonnen hatte, konnte ich mir jeden Monat eine Unmenge neuer Musik kaufen. Entweder gefiel mir das Cover einer Platte oder eine bestimmte Kritik hatte mein Interesse geweckt. So war das auch bei Jackson Browne. Der Musik Express hatte in seiner neuesten Ausgabe eine schöne Besprechung zum neuen Album „Hold out“ abgedruckt.

Jackson Browne hat bessere Alben veröffentlicht, darunter „Late for the sky“ oder auch „The Pretender“. Aber diese Platte bereitete mir den Weg zur Westküste der Vereinigten Staaten. Erst nach Jackson Browne interessierte ich mich für seine Weggefährten, wie zum Beispiel Joni Mitchell, die Eagles und vor allem Warren Zevon.

Jackson Browne – Kumpel der Eagles

Im Sommer 1980 besuchte ich zweimal in der Woche die Berufsschule. Die Schule begann Mittwochs erst um 13.00 Uhr. Mein Kollege Kadri kam gerne vormittags zu mir, um sich die neueste Musik anzuhören. Kadri war Mitglied der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Ich war zwar neugierig, was die so machen, aber Gottseidank war Kadri niemals aufdringlich oder in irgendeiner Weise missionarisch unterwegs. Er war ein guter Freund geworden und wir diskutierten ohne Ende über Musik oder die Ausbildung und diesen merkwürdigen Zeugen. Und ihm gefiel das neue Album von Jackson Browne ausnehmend gut. Also hörten wir uns die Musik wieder und wieder an.

Jackson Browne hatte im zwei Jahre zuvor eines der besten Live-Alben aller Zeiten veröffentlicht, nämlich „Running on empty“. Das besondere hierbei war, dass die Stücke nicht nur während der Konzerte sondern auch in Hotelzimmern oder im fahrenden Bus aufgenommen wurden. Hinzu kam, dass es sich um neue Stücke handelte. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es auf dem Live Album ein paar Füller gab.

Jackson Browne – Songs ohne Ende

Browne hat das Talent, mit seiner warmen und dunklen Stimme schöne Melodien zu finden und dabei noch gute Texte zu schreiben und vor allem beides zu interpretieren. Auch die Länge der Songs geht über drei Minuten hinaus – er ist der Erfinder der langen Fadeouts – die Songs verdienten eben kein schnelles sondern ein langes Ende. Das ist so in etwa, als ob das Gitarrensolo von „Hotel California“ niemals enden würde.

„Disco Apocalypse“ eröffnet das Album und beschwört den Untergang der damals angesagten Discomusik. Der Song ist angenehm und geht sofort ins Ohr, spiegelt allerdings nicht die Klasse des Albums wieder. Aber er ist auch kein Ausfall auf dieser rundum tollen Platte, bei der man bitte nicht einzelne Songs abruft oder streamt, sondern sich das Album von vorne bis hinten komplett anhört. So wie es gemeint ist.

Mit „Hold on“ kommt Jackson Browne musikalisch wieder in das Fahrwasser seiner ersten drei Alben. Der Song ist stilprägend für den Sound des Albums, keine akustischen Gitarren sondern die Keyboards treiben die Musik voran, vor allem das Klavierspiel von Graig Doerge. Dazu gehört der sanfte Bass, gespielt von Bob Glaub. Und genau diese Kombination von Klavier und Bass gräbt sich tief ins Hörgedächtnis ein. Es ist diese Klarheit, die von diesen beiden Instrumenten ausgeht, und das bezieht sich auf alle Songs auf diesem Album, egal ob Rocker oder Ballade.

Mit „That girl could sing“ folgt so ein Rocker, eine Hommage an Valerie Carter, die bei Browne und auch James Taylor als Background Sängerin viele Songs veredelt hat. Auch Steve Winwood hat sich bei seinem großen Hit „Valerie“ von Frau Carter inspirieren lassen.

Die erste Seite klingt aus mit „Boulevard“, einem Song der in Deutschland als Single ausgekoppelt wurde und natürlich nicht in die Charts kam. Soviel Power und treibende Drums gab es vorher noch auf keinem Jackson Browne Album. Immer wenn ich diesen Song höre fällt mir der Sommer 1980 ein. Dieser Song war ebenfalls auf der Cassette, die ich damals verliehen und bis heute nicht wiederbekommen habe. Also, Ute und Elke, meldet euch bitte!

„But… I love you.“

Die zweite Seite eröffnet mit „Of missing persons“ und verdeutlicht eindrucksvoll, was ich ein paar Zeilen vorher zu erklären versuchte. Jackson Browne erzählt erneut von einem verloren gegangenen Menschen, in diesem Fall von Lowell George, dem Sänger von „Little Feat“. Er nutzt dabei das Klavier und untermalt mit Hilfe von David Lindleys Slidegitarre sein Wehklagen über viel zu früh verstorbene Freunde.

Hatte Lindley bereits auf den vorangegangenen Alben großen Anteil am Gesamtsound, geht er „Call it a loan“ mit seiner Gitarre besonders filigran an. Er trägt das Stück von Anfang bis Ende und bringt auch den Schlußakkord nach Hause.

„Hold on hold out“ schließt das Album ab, mit über 8 Minuten Spieldauer das längste Stück des Albums. Mehrere Breaks, schnelle und langsame Passagen im Wechselspiel mit der Slidegitarre und des Pianos. Dazu am Ende die Climax, ein atemlos gesprochener Text von Jackson Browne, den er live und nur beim ersten Take des Songs genauso hinbekommen hat, dass er glaubwürdig blieb: „But…I love you.“

Hold out von Jackson Browne ist eine Sternstunde

Der amerikanische Rolling Stone hat 1980 geschrieben, dass es sich bei „Hold out“ wahrscheinlich um das schwächste Album handelt, das Jackson Browne je gemacht hat. Nun, das stimmte damals. Heute ist es ein Triumph und zählt für mich zu den drei besten Platten, die er jemals eingespielt hat. Und „Hold on hold out“ bleibt sein bester Song. Für immer.

Daten zur Pressung Hold out – Jackson Browne

Erscheinungsjahr1979
HerkunftslandUSA
KatalognummerAS 52 226
Label Asylum Records
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Daten zur hier bewerteten Pressung

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