State of Confusion – Das letzte große Kinks-Album

Lukas meint, es wäre mal wieder Zeit eine Kritik zu schreiben, ich hätte ja sonst nichts zu tun. Dann ziehe ich mal ein Kinks-Album aus meiner Sammlung raus und schreibe dazu, was mir gerade einfällt. „State of Confusion“ hat mich damals ziemlich enttäuscht. Heute ist es ein Klassiker und wahrscheinlich das letzte richtig gute Album (das gilt jetzt nicht für Fans, für die sind alle Alben dieser Band erstens Klassiker und zweitens sehr gut). Ray Davies ist ein brillanter Texter und Komponist, sein Bruder Dave einer der besten Gitarristen aller Zeiten. Mick Avory ist als Drummer eine Legende und dieses Album war das letzte, an dem er beteiligt war.

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State of Confusion klingt wie…

„State of Confusion“ klingt irgendwie nach „Should I stay or should I go“, schrieben die Kritiker. Als ob Dave Davies es nötig gehabt hätte, ein Riff zu klauen! Und auch beim mehrmaligen Anhören vermag ich zwar eine gewisse Ähnlichkeit im Sound der Gitarren heraushören, aber das ist es dann auch schon. Denn mit diesem Stück eröffnet Ray Davies diese Platte und nutzt mal wieder ohne Skrupel die Fähigkeiten seines kleinen Bruders aus. Dem macht das nichts aus, obwohl die beiden oft und gern Streit haben. Und gerade dieser Streit war immer schon die Essenz aller Kinks-Alben.

Am Ende liefert Ray wunderbare Songideen und -melodien, die von Dave dann in ein geniales Soundkorsett gepackt werden. Ganz zu schweigen von den Texten, denen ich vor allem meine Englisch-Kenntnisse zu verdanken habe. Bei „State of Confusion“ geht es darum, dass unser Held nicht weiß, ob er links oder rechts rum gehen soll. Besonders gelungen ist die Textzeile, bei der ihn seine Freundin verläßt, weil der Videorekorder kaputt gegangen ist. Sie hat die Langeweile einfach nicht mehr ausgehalten.

… ein definitives Vielleicht

Auch der zweite Song des Albums geht mit seinem Refrain direkt ins Ohr, allerdings muss man sich erst einmal die beiden ersten Strophen schön hören. Das war damals bei mir sicherlich der Grund, warum ich dieses Album nicht so gern mochte, wie die beiden Vorgänger „Low Budget“ und „Give the People What They Want“. Es lagen der Schallplatte keine Texte bei und ich habe damals nur den Titel verstanden.

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Ray Davies berichtet darüber, wie es ist, wenn man sich in der staatlichen Bürokratie verheddert und keinen Ansprechpartner findet, der einem freundlicherweise weiterhilft. Man kommt keinen Schritt weiter und am Ende muss man sich wieder hinten in der Schlange anstellen. Das hat sich in den letzten 40 Jahren trotz Digitalisierung nicht grundlegend geändert, oder?

Liebesarbeit

„Labour of Love“ beginnt mit dem Hochzeitsmarsch von Richard Wagner aus der Oper „Lohengrin“, allerdings in der Version von Dave, der die Gitarre bis zum Anschlag auf Distortion gestellt hat. Danach erklärt uns Ray, wie eine Ehe funktioniert. Das man sich zuerst zusammen raufen und alle Ecken abrunden muß, bevor es läuft. Oder eben auch nicht. Dazu kommt Ray Davies erst im übernächsten Song. In „Labour of Love“ singt er über seine Erfahrungen mit Chrissie Hynde von den Pretenders, mit der er eine ereignisreiche Kurzbeziehung inklusive einer gemeinsamen Tochter hatte. Die beiden haben sich buchstäblich die Köpfe eingeschlagen, bevor sie sich getrennt haben.

Come Dancing

Ray war immer schon ein Familienmensch. In vielen Songs erzählt er uns von seinen Schwestern, so auch in diesem großen kleinen Hit von 1983, der in den damaligen Charts völlig deplatziert war. Wer wollte damals schon Blasmusik hören? In den USA offensichtlich ganz viele, dort kletterte die Single bis auf Platz 6 in den Billboard-Charts. Ray erzählt von seiner Schwester Rene, die sich aus dem Haus geschlichen hat, um in den nahegelegenen Tanzpalast zu gehen.

Tragischerweise ist Rene genau dort gestorben, beim Tanzen in den Armen eines fremden Mannes. Der ganze Song ist also autobiografisch. Besonders gelungen ist der Übergang in das Riff-Solo von Dave. Keine Melodie, nur drei schlichte Akkorde und fertig ist das Ganze. Und wenn am Ende dann die Bläser den Song nach Hause bringen, haben wir eine Menge über das britische Familienleben in den fünfziger Jahren gelernt. Die Single „Come Dancing“ gibt’s in 2024 bei Amazon* für ca. 11 Euro zu kaufen.

Damals konnte ich den Song nicht mehr hören, heute macht es ungeheuren Spaß, das Stück in seine Bestandteile zu legen, um zu verstehen, wie groß Rays Liebe zu seiner Schwester war. Rene war diejenige, die ihm einen Tag vor seinem 13. Geburtstag eine Gitarre schenkte. Am nächsten Morgen kam Rays Vater an sein Bett, um ihm zu sagen, dass seine Schwester, während sie tanzte, gestorben ist. Ein Trauma, das Ray in vielen seiner Songs verarbeitet hat.

Property

Erzählt uns Ray in „Labour of Love“ etwas über das Zusammenraufen in einer Beziehung, berichtet er in „Property“ über den Scherbenhaufen, den eine zerbrochene Ehe hinterläßt. Das einzige, was nach einer Trennung übrig bleibt, sind

Die nutzlosen Souvenirs, die wir im Urlaub gekauft haben.
Wir haben sie ins Regal gestellt, wo sie jetzt verstauben
gebraucht haben wir sie nicht, doch jetzt überdauern sie uns…

Ray Davies

Ray bringt hier alles auf den Punkt, er beschönigt nichts und am Ende haben wir wieder mehr über uns gelernt, als uns lieb sein kann. Und die Musik dazu ist höchst ambivalent, wird der Text doch eingebettet in eine liebliche Melodie, die einem zum Mitsingen verleitet. Doch in der Climax des Songs verrät uns Ray, dass

… nach allem was wir durchgemacht haben, jetzt,
wo alles vorbei ist, jetzt, wo du und ich frei sind,
jetzt ist nichts mehr übrig außer unsere restlichen Sachen…

Ray Davies

Und dann zieht das ganze Zeug auch noch Staub an. Besser texten kann man eigentlich nicht.

Don’t Forget to Dance

Drehen wir die Vinylscheibe um, geht es weiter zur nächsten Singleauskopplung, und auch hier geht es wieder ums Tanzen. Noch einmal wirft Ray seine Lebenserfahrungen in die Waagschale und beschwört uns, niemals mit dem Tanzen aufzuhören, egal ob man allein ist oder ob man sich zu alt fühlt. Eine schlichte Ballade, die leider nicht ganz so erfolgreich war, wie „Come Dancing“. Die Musik klingt erneut einschmeichelnd leicht, ist jedoch eine Gratwanderung und ziemlich nah dran am Kitsch.

Die jungen Konservativen…

„Young Conservatives“ habe ich damals nicht gemocht. Hier fehlte mir der intellektuelle Zugang und das Textblatt. Zum wiederholten Mal läßt Ray Davies kein gutes Haar an der britischen Upper Class. Vor allem die konservative britische Jugend hatte zu Beginn der achtziger Jahre keine Lust auf Rebellion. Die wollte lieber ihre Ruhe haben. Im Song erklingen Zitate aus „David Watts“ und natürlich aus „Well respected man“, beides Stücke, in denen Ray auf sehr ironische Weise Kritik am aus seiner Sicht verlogenen britischen Establishment übte, das Wasser predigte aber dabei den guten teuren Rotwein genoß.

… haben kein Herz aus Gold

Die akustische Gitarre, die man am Anfang von „Come Dancing“ zu hören bekommt, spielt auch in diesem Stück groß auf. „Heart of Gold“ hätte die dritte gute Single des Albums werden können, wenn die Plattenfirma es gewollt hätte. Der Song lebt vom wunderbaren hellen Harmonie-Gesang seines Bruders Dave. Inspiriert wurde Ray einerseits von der Geburt seiner Tochter, andererseits von der rauen Art, mit der Prinzessin Anne in der Öffentlichkeit mit der Presse umging. Vielleicht aber spielte auch hier bereits die Trennung von Chrissie Hynde eine Rolle.

Cliches of the World (B-Movie)

Wie ich schon mehrfach erwähnt habe, war ich damals ziemlich entäuscht von diesem Album. Lediglich „Property“ und eben „Cliches of the World“ fand ich gut. Diesen Song habe ich auf Kassette überspielt, um mir dann durch Vor- und Zurückspulen in Ruhe den Text notieren zu können. Mit meinen kläglichen Englisch-Kenntnissen habe ich nicht alles verstanden, war aber doch ziemlich nah dran. Also noch einmal zum Mitschreiben: Dies ist einer meiner liebsten Songs der Kinks. Das metallische Spiel der Drums, der ruhige Mittelteil und der abschließende Höhepunkt entspricht Rays Vorliebe für eine cineastische Dramaturgie, die auch den Songtitel erklärt.

Bernadette

Das letzte Stück auf einem Album der Kinks ist immer etwas Besonderes. So ist auch „Bernadette“, gemeinsam gesungen von Dave und Ray. Wer sucht, der findet bei YouTube eine alternative Version, bei der Daves Stimme klarer und transparenter klingt. Warum diese deutlich stärkere Version nicht veröffentlicht wurde, ist mir schleierhaft. Vielleicht wollte Ray seinen Bruder mal wieder nicht gut aussehen lassen.

Einige Songs, die für dieses Album eingespielt worden sind, wurden auf B-Seiten veröffentlicht. Dazu gehören „Once a Thief“, „Long Distance“ und das wirklich gute „Noise“, welches auf der Rückseite von „Come Dancing“ veröffentlicht wurde.

State of Confusion – ein schwere Geburt

Mit diesem Album verließen die Kinks mal wieder ihre Erfolgsspur, dieses Mal allerdings für immer. Mick Avory hatte genug von den unendlichen Streitereien mit Dave und kam nicht wieder zurück. Und obwohl Ray seinem Bruder Dave versprochen hatte, ihn großzügig bei den Credits zu erwähnen, tat er dies nicht. Im Gegenteil tat Ray alles, um seinen Bruder (wie immer) schlecht aussehen zu lassen. Das Cover des Albums zeigt, wie die Bandmitglieder in verschiedenen Richtungen davon laufen. Genauso war’s. Daves fast zeitgleich veröffentlichtes drittes Solo-Album „Chosen People“ hatte gegen diese Platte keine echte Chance und ging kläglich unter. Wieviel Dave zu allen Kinks-Alben beitrug, erkennt man daran, wie schlecht Rays erstes Solo-Album „Return to Waterloo“ war. Ohne Daves anspruchsvolle Arbeit an den Gitarren fehlte dieser Platte alles. „State of Confusion“ allerdings bleibt das letzte wirklich große Kinks-Album unter vielen sehr großen Kinks-Alben.

Daten zur Pressung von State of Confusion

Erscheinungsjahr1983
HerkunftslandBRD
Katalognummer205 275
LabelArista
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Daten zur hier bewerteten Pressung

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