The Beatles – 1962 – 1966 (Rotes Album)

Bei denen, die hier eine Besprechung oder eine kritische Abhandlung über die Musik von „1962 – 1966 (Rotes Album)“ erwarten, möchte mich vorab entschuldigen. Kritische Besprechungen des roten und auch des blauen Albums gibt es zu Tausenden im Netz. Wer sucht, der findet unten eine kurze Bewertung der überarbeiteten und hinzugefügten Songs des Roten Albums 2023. Nachstehend schreibe ich darüber, was ich alles mit diesem Album erlebt habe. Während für den „Rolling Stone“ der Rock’n Roll mit Elvis begann, ging es bei mir mit diesem Album los.

Am 6. Februar 1975 wurde im ZDF der zweite Film der Beatles mit dem blöden deutschen Titel „Hi Hi Hilfe“ ausgestrahlt. Ich glaube, der Film lief im Nachmittagsprogramm, da bin ich mir aber nicht mehr so ganz sicher. Jedenfalls änderte sich mit diesem Tage alles. Bislang hatte ich nur Interesse an das, was in der Radiothek im WDR lief. Ich hatte ja keine Ahnung. Als einige Tage später Christiane das rote Album mit in den Musikunterricht brachte und der Musiklehrer „You’ve got to hide your love away“ auswählte, war es um mich geschehen. Ich musste dieses Album haben. Gottseidank kannten meine Eltern Monika Schwarz. Die wiederum arbeitete bei einem Plattenvertrieb in Düsseldorf. Und plötzlich war das Album da und es lief sprichwörtlich rund um die Uhr.

1962 - 1966 (Rotes Album)

Preis von „1962 – 1966 (Rotes Album) 2023er Edition“ prüfen

Love Me Do

Mit „Love me do“ startet das Album, und wenn ich heute die erste Seite auflege, kann ich jedes folgende Stück vorhersagen. Ich hatte damals kein eigenes Zimmer und musste deshalb mit einem Schrank in der Diele vorlieb nehmen. Leider passte der Plattenspieler von Mr. Hit nicht in den Schrank rein – ich schraubte also den Deckel ab, baute den Lautsprecher aus, um ihn dann im Schrank zu befestigen. Den Plattenspieler selbst konnte ich einfach ins Regal schieben. Die Schubladen des Schranks habe ich umgedreht, so dass eine Art Schreibtisch entstand. Dies war ab sofort mein Musikzimmer. Besonders laut aufdrehen konnte ich Mr. Hit nicht, es ging mir einzig und allein um die Songs der Beatles, der Lärm der Rockmusik folgte erst ein, zwei Jahre später.

Apropos Lärm, eines Nachmittages klingelte es an der Haustüre und ich musste ärgerlicher Weise einen Song des Albums unterbrechen, um nachzusehen, wer mich da stört. Als ich die Türe öffnete standen zwei Herren im Anzug vor mir. Sie stellten sich als Mitarbeiter der städtischen Wohnungsverwaltung vor und baten mich, die Musik doch leiser zu machen. Meinen Eltern erzählte ich lieber nichts davon. Leider kamen die Männer einige Tage später noch einmal vorbei, als mein Vater dann doch schon zu Hause war. Sie eröffneten ihm, dass sie bereits mit seinem „Sprößling“ über die laute Musik gesprochen hätten. Möglicherweise war das ausschlaggebend für meine Eltern, sich endlich Gedanken über den Auszug meiner Großmutter zu machen, damit ihr Sohn endlich ein eigenes Zimmer bekommt.

Please Please Me

Für viele Menschen meines Jahrgangs ist das rote Album der Beatles der Startpunkt in ihre Musikkarriere gewesen. Leider bin ich völlig talentfrei und spiele nach 40 Jahren immer noch keinen der 4 Gitarrenakkorde, die ich kenne, fehlerlos. Das liegt übrigens auch daran, dass ich mir mit 17 Jahren beim Brotschneiden die Sehne des kleinen linken Fingers gleich mit durchtrennt habe. Das aber nur am Rande.

Als ich mit 14 Jahren meine erste Gitarre geschenkt bekommen habe, habe ich, wie wahrscheinlich viele andere auch, die Beatles bei ihrer Musik begleitet. Und auch ein neuer Plattenspieler der Marke Braun mit zwei Boxen stand unter dem Tannenbaum. Damit mich niemand beim Posing mit der Gitarre beobachtete, bin ich in den Keller gezogen. Die Eisenbahn von Märklin wurde abgebaut und durch den Plattenspieler ersetzt. Ein Mikrofon hing von der Decke runter und ich spielte quasi playbackmäßig das rote Album und nun auch das erste Album „Please please me“ durch. Monika Schwarz hatte erneut geliefert.

Leider handelte es sich hierbei nur um die deutsche Vinylpressung auf dem Label der Fernsehzeitung „Hörzu“. Diese wird heute allerdings bei Discogs auch schon für über 200 Euro gehandelt. Auf dem Cover standen Sätze wie „Please please me und andere Knüller“ oder auch „Die zentrale Tanzschaffe der weltberühmten Vier aus Liverpool“. Bis heute weiß ich nicht, was eine Tanzschaffe ist. Aber das war wohl in den sechziger Jahren ein anderes Wort für, ähhh, Musik?

From Me To You

Alan Klein, der damalige Manager der Beatles, stand 1973 kurz vor seiner Absetzung. Daher wollte er schnell noch ein wenig mehr Reibach machen und ließ das rote und blaue Album ohne Zustimmung der Beatles produzieren und veröffentlichen. 50 Jahre später liegen nun neue Versionen der Alben mit zusätzlichen Stücken vor. Was mich dabei am meisten stört (und sicherlich nicht nur mich), ist, dass die Reihenfolge der Songs verändert wurde. Sogar Giles Martin, der Sohn von George Martin und Produzent der neuen Versionen, sieht dies als Makel an. Die Reihenfolge der alten Versionen hat sich unauslöschlich weltweit in Millionen Ohren festgesetzt. Und jeder, der die Neuausgaben auflegt, wird sich wundern, wenn nach „Please please me“ nicht mehr „From me to you“ sondern nun „I saw her standing there“ folgt. Das muss man erst einmal verarbeiten.

Und hörte das rote Album damals mit „Yellow submarine“ auf, ist es nun „Tomorrow never knows“. Vielleicht das bessere Ende, denn auch das „Revolver“ Album endet mit diesem Stück. Danach begann ein neues Kapitel mit ungewöhnlich sorgfältig produzierten und arrangierten Stücken wie „Strawberry fields forever“ und „Penny lane“. Damit startete dann das blaue Album, aber das ist eine andere Geschichte.

All My Loving

Als das rote Album bei mir ein Jahr alt war, hatte ich bereits sämtliche Artikel, die ich über die Beatles finden konnte in einer Kladde gesammelt. John Lennon war beispielsweise der Meinung, dass Elton John der legitime Nachfolger der Beatles wäre. Ich hatte keine Ahnung, wer Elton John war, aber die Information wurde von mir abgespeichert und hat sich bis heute gehalten.

In der Schule hatten wir manchmal eine Freistunde mit einem Vertretungslehrer, der mit uns Fragerunden durchführte. Jeder durfte der Klasse Fragen stellen und ich konnte endlich mit meinem Klugscheißer-Wissen glänzen. Im Radio wurde auf WDR2 jeden Nachmittag „All my loving“ in einer Version von Herb Alpert aus dem Album „South of the border“ von 1964 gespielt. Und ich wollte von der Klasse wissen, in welcher Sendung das Stück lief. Christiane sagte, dass es die Sendung Quintessenz sei. „Falsch“, antwortete ich,“ „es ist das Mittagsmagazin.“ Doch sie hatte völlig recht und ich lag daneben. Ist mir heute noch sehr unangenehm, wie man hier hoffentlich zwischen den Zeilen lesen kann.

Nowhere man

Begann meine Liebe zu den Beatles mit „You’ve got to hide your love away“, tendierte ich nach und nach mehr zu „Nowhere man“. Hörte man links die Stimmen, spielte rechts die Musik. Oder umgekehrt, je nach dem wie man die Lautsprecherboxen angeschlossen hatte. Damals fand ich das Drehen an den Balance-Knöpfen faszinierend. Heute bereitet mir vor allem „Drive my car“ viel Freude. Und ich meine die alte Version, die man auf dem roten Album und auf dem Rubber Soul Album hören kann. Als vor Kurzem mein alter Plattenspieler, ein PE 2020, auf einem Kanal streikte, lief der Song rauf und runter, damit ich den Fehler finden und reparieren lassen konnte. Mit einer möglichen Super Deluxe Edition des Rubber Soul-Albums hätte ich dieses Problem nicht lösen können. Es geht doch nichts über 50 Jahre alte Schallplatten aus Vinyl.

Now And Then

John Lennon sagte mal sinngemäß zu einem Fan, der vor seinem Haus in Tittenhurst Park stand, dass er ein ganz normaler Typ sei, der auch mal auf’s Klo muss. Der junge Man sah dies völlig anders und himmelte den Musiker an. Die Beatles wollten niemals die Welt aus ihren Angeln heben, sie wollten uns mit ihrer Musik einfach nur glücklich machen. Sie waren in der Lage, etwas, das auf den ersten Blick relativ gewöhnlich war, in etwas Magisches zu verwandeln. Genau das haben sie getan, mehr eigentlich nicht. Höre ich mir nun den allerletzten Song „Now And Then“ an, wird mir klar, wieviel ich den Beatles zu verdanken habe. Wahrscheinlich habe ich wegen John, Paul, George und Ringo etwa 60.000 Euro für Platten ausgegeben. Das war es aber auch wert. „Love & Peace“ würde Ringo mir jetzt wünschen.

1962 – 1966 (Rotes Album) 2023er Version

Das Rote Album 2023

Und wer möchte darf mir jetzt noch folgen zur Ausgabe 2023, bei der Giles Martin und Sam Okell die alten Songs mit Hilfe der Audio Demixing Technologie remixed haben. Insgesamt eine Offenbarung, vor allem der Bass und der Gesang wurden nach vorne gestellt. Im Folgenden eine subjektive Bewertung der neu abgemischten und hinzugefügten Stücke.

Bewertung Rotes Album 2023

I saw her standing there – Der erste Song vom ersten Album klingt scharf, metallisch und crispy.
Twist and shout – Jetzt hört man noch deutlicher, wie gut John singen konnte, wenn er alles gab.
This Boy – Mein Gott, was muß erst „Yes it is“ gut klingen, wenn das hier schon so gut gelingt.
All my loving – Leider scheppern die Becken immer noch durch die Strophen. Aber der Bass läuft rund.
Roll over Beethoven – Hier tauchen (Gitarren)Töne auf, die ich vorher nicht auf dem Schirm hatte.
You really got a hold on me – Ebenso hier.
You can’t do that – Die zwölfseitige Rickenbacker-Gitarre klingt dominanter als zuvor.
And I love her – Pauls Stimme kommt klarer (und lauter?) rüber.
Help – Singt George die Countermelodie am Schluss alleine? Muss ich noch einmal hören.
You’ve got to hide your love away – Feines, neues Stereobild. Aaaah, die Rassel, gespielt von Paul McCartney.
We can work it out – Auch die schwebende Orgel ist nun etwas feiner zu hören.
Day Tripper – Hier ist vor allem links die Rhythmus-Gitarre offensichtlicher zu identifizieren. Lennons Gitarrensolo ist etwas mehr in den Hintergrund gerutscht. Dafür ist Harrisons Riff noch transparenter geworden.
Drive my car – Auf dem linken Kanal ist Georges Gitarre klarer, der Bass läuft dominanter um den Song herum. Und die Drums schieben den Song noch besser an.
Norwegian wood (This bird has flown) – Und auch Ringos gedämpftes Tamburin ist wahrnehmbar.
Nowhere man – Man hört den Melodienbass von Paul McCartney nun besser.
Michelle – Der Mix des Songs muß Martin und Okell leicht gefallen sein. Es gab nur vier Spuren auf dem Band.
In my life – Der Gesang ist schön in der Mitte platziert. Das Ride-Becken auf der linken Seite ist klar und deutlich zu hören. Das Tamburin rechts.
If I needed someone – Hammer! Für mich die größte akustische Überraschung. Wann kommt endlich „Rubber Soul“?
Girl – Bass und Tits, Tits, Tits. Hfffffffff.

Die restlichen Songs wurden bereits für die Neuausgaben der Alben „The Beatles 1“ von 2015 und „Revolver“ von 2022 überarbeitet.

Daten zur Pressung von 1962 – 1966 (Rotes Album)

Erscheinungsjahr1973
HerkunftslandBRD
Katalognummer1 C 188-05 307/08
Labelcode
PreisJetzt aktuellen Preis von „1962 – 1966 (Rotes Album)“ 2023er Edition bei Amazon hier prüfen.
Daten zur hier bewerteten Pressung

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