Nun also „Time Honoured Ghosts“ von Barclay James Harvest aus dem Jahr 1975. Den Titel hatte die Ehefrau des Managers ins Spiel gebracht. Altehrwürdige Geister, womöglich eine Anspielung auf die Musik, die auf diesem Album deutlich amerikanischer klingt, als auf den Alben zuvor.
Gab es schon auf dem vorherigen Album einfacher arrangierte aber dennoch sehr gute und melodiöse Songs, ging die Band noch einen Schritt weiter und verärgerte vor allem den Keyboarder mit den entschlackten Liedern. Denn der wollte an der alten, an der Klassik orientierten Musik festhalten. Aber vor allem kommerzielle Aspekte übten Druck auf die Band aus – die Plattenfirma wollte endlich Geld verdienen und die Band natürlich auch.
Time Honoured Ghosts – Alterwührdige Geister
Als Einstieg gibt es einen Song, der eher an den Sound von Wishbone Ash erinnert. Zweistimmige Gitarren eröffnen „In my life“, gespielt von John Lees. Im ruhigen Mittelteil bringt Wooly Wolstenholme einmal mehr das Mellotron ins Spiel.
Einen der besten Songs, die Barclay James Harvest jemals eingespielt haben, kommt direkt an zweiter Stelle. „Sweet Jesus“ klingt sehr entspannt nach der amerikanischen Westküste – kein Wunder, wurde die Platte doch in San Francisco eingespielt. Der Sound der Lead-Gitarre erinnert entfernt an Carlos Santana oder aber auch an David Gilmour.
Ich erinnere mich, wie ich damals den Text des dritten Songs „Titles“ abgeschrieben und meinen Englisch-Lehrer gefragt habe, was er davon hält. Der Text besteht fast ausschließlich aus den Titeln von Beatles-Songs und ich vermutete dahinter eine besondere Botschaft. Jedoch sei der Text völliger Blödsinn, desillusionierte mich mein Lehrer. Er konnte keinen tieferen Sinn darin entdecken, obwohl er mir glaubhaft versicherte, ein Beatles-Fan zu sein.
„Jonathan“ ist für mich immer der Höhepunkt der Platte gewesen. Mein Plan war es, einen Band mit dem Namen „Autumn Child Jonathan“ zu gründen, natürlich angelehnt an Barclay James Harvest. Die Jungs hatten sich den Namen ebenfalls zusammen geklaut. „Barclay“ wegen der englischen Bank Barclays und weil man auch Geld verdienen wollte. „Harvest“ wegen des ersten Plattenlabels. Und „James“ weil es einfach schön klang.
Barclay James Harvest – auch Prog-Fans kommen auf ihre Kosten
Die erste Seite des Albums wird mit einem Song von Wooly Wolstenholme abgeschlossen und hier sieht man deutlich die Unterschiede zwischen den drei Songschreibern. Während Les Holroyd und John Lees schon sehr deutlich weniger komplexe Songs schrieben, blieb Wolstenholme doch sehr eng bei einer klassischen Struktur. Zudem kommen auch Prog-Fans hier auf ihre Kosten. Übrigens wurde auch diese Platte ausschließlich von der Band eingespielt, es gab keine Gastmusiker, also auch kein Orchester.
Die zweite Seite startet mit „Song for you“, hier gibt es einen Powerteil von John Lees und einen ruhigen Schlußteil, der von Les Holroyd gesungen wird. Mir fällt kein anderer Song ein, in dem sich die beiden den Gesang teilen.
In „Hymn for the children“ gibt John Lees erneut ein Statement zur Lage der Welt ab, ähnlich wie zum Beispiel schon in „Child of the universe“ oder in „Summer Soldier“. Der Schönklang der Songs ist beinahe greifbar und wer dieses Art von Musik mag, wird von den letzten beiden Songs sicher nicht entäuscht werden. Nach „Moongirl“ folgt zum Abschluss des Albums „One Night“ mit einem schönen Background-Gesang der Band. Was die Platte erneut auszeichnet, ist ein sehr transparenter Klang, der sämtliche Instrumente gut hörbar läßt. Im Mix geht nichts verloren, weder die akustische Gitarre noch der Satzgesang im letzten Song
„Harvest“ – Bukolische Landschaften
Abschließend noch ein Wort zum Cover, eines der schönsten in meiner Sammlung. Das Artwork ist angelehnt an das Gemälde „Harvest“ von Maxfield Parrish aus dem Jahre 1905. Eine gute Idee, wie ich finde. Leider habe ich noch nirgendwo das Album mit einem Fold out cover (FOC) gefunden, das hätte ich alleine deswegen gekauft, um Vorder- und Rückseite gleichzeitig sehen zu können – einfache bukolische Landschaften.
Fazit zu Time Honoured Ghosts
Mit „Time honoured ghosts“ gehen Barclay James Harvest einen Schritt weiter zu einfacheren, aber dennoch guten Songs. In meinem persönlichen Ranking steht die Platte auf Platz 3, direkt hinter „Octoberon“ und „Everyone is everybody else. Aber eigentlich sind die Scheiben gleich gut und gleich wichtig und gehören in jede Plattensammlung.
Galerie
Daten zur Pressung
Erscheinungsjahr | 1975 |
Herkunftsland | England |
Katalognummer | 2383 361 |
Label | RAK / Polydor |
Preis | Aktuell gibt’s das Album auf Vinyl bei Amazon gebraucht für ca. 8 Euro* |
*Werbehinweis für Links: Es handelt sich um einen sog. Affiliate-Link, das heißt, wenn auf der verlinkten Website etwas eingekauft wird, erhält der Betreiber von plattenkritik.com eine Provision. Das hat keinen Einfluss darauf, wie eine Schallplatte bewertet wird.