„Seasons 25“ von Flying Circus ist ein neues Album. 25 Jahre nach Erscheinen ihres Debüt-Albums haben sich Flying Circus zum Jubiläum entschieden, eine komplette Neu-Einspielung der 12 ursprünglichen Stücke von 1997 vorzulegen.
Musiker können Arschlöcher sein. Meine persönlichen Kontakte zu halbwegs bekannten Instrumentalisten aus Düsseldorf haben mich bislang immer enttäuscht. Das könnte aber auch daran liegen, dass man von der heiß geliebten Musik fälschlicherweise auch auf nette Menschen hinter der Musik schließt. Anders ist dies bei der Band Flying Circus aus Grevenbroich – hier machen die Musiker aus meiner Sicht alles richtig.
Seasons
„Seasons“ heißt der Song, der mich auf die Band aufmerksam machte. Bei Facebook stolperte ich über das kurze Video zum Song, in dem die Musiker zweieinhalb Minuten lang die Quintessenz ihrer Musik vorstellen. Besonders attraktiv fand ich die gewählte Location, nämlich den Plattenladen „Ohr’n Art“ in der Grevenbroicher Innenstadt. Im Regal stehen die gleichen Platten wie bei mir zu Hause. Und auch die Tapete aus den frühen siebziger Jahren erwecken den Eindruck, das man hier richtig ist.
Direkte Ansprache über Mailing List
Wer wie ich mit der Musik von Kansas und Yes groß geworden ist, aber Emerson, Lake und Palmer bis heute nicht so ganz verstanden hat, findet hier direkt Anschluss. Hinzu kommt die direkte Ansprache – die Band kommuniziert mit mir einerseits über den Weg der Musik, andererseits sieht sie mich auch als Fan, der gerne mehr über die Entstehung der Songs erfahren möchte.
Und hier gibt es wirklich eine vorzügliche Vollbedienung – man wird regelrecht mitgenommen und nicht unwissend zurück gelassen. Soeben erhielt ich per Email den Link zu einer Recording Session in den Dierks Studios. Klar, die Mail habe nicht nur ich erhalten, aber trotzdem fühle ich mich angesprochen und ernst genommen. Nicht als Käufer sondern als Mensch.
Wie Seasons 25 klingt
Kurze Anekdote am Rande: Vor vielen Jahren habe ich von Harry und Uli zum Geburtstag eine selbstgebrannte CD geschenkt bekommen. Darauf befand sich nicht nur das Album „Pictured within“ von Jon Lord, sondern auch eine nachgespielte Version des Titelsongs. Die Platte habe ich nicht oft gehört, den Song allerdings schon. Und interessanterweise bezieht sich die Band nicht nur auf diesen Song, sondern auch auf die Klangästhetik, die von dieser Art der Musik ausgeht. Darüber hinaus sehen mindestens zwei der Musiker irgendwie aus wie Jon Lord, daher gibt es bereits hier von mir als Verehrer von Deep Purple Mark II die volle Punktzahl.
Follow The Empress
Der Klangkosmos der Band erweitert sich natürlich durch die Nutzung einer Geige. Und genau mit diesem Instrument holt mich die Band sofort ab, erinnert sie mich doch an meine erste Begegnung mit „Point of know return“ von Kansas. Ich hatte damals keine Ahnung, was ich mit dieser Musik anfangen soll. Die Geige hatte aus meiner Sicht im Rock nichts verloren. Das war etwas für meine Oma, die Helmut Zacharias und andere Zaubergeiger verehrte. Und doch höre ich die Musik von Kansas nun schon seit über 40 Jahren. Und die Musiker der Band wahrscheinlich auch.
Sehr schön finde ich die Stimme des Drummers, der zusammen mit Michael Dorp den vierte Song auf Seasons 25 „Follow The Empress“ veredelt. Denn auch dies erinnert mich an Kansas, gab es dort auch zwei Sänger, die sich wunderbar ergänzten. Und gerade bei diesem Song spielt Michael Rick zum Ende hin ein herrliches Solo auf der akustischen Gitarre. Klar folge ich der Kaiserin.
Footprints in the Sand
Eigentlich verbieten sich die ganzen Querverweise auf andere Bands wie Kansas, Led Zeppelin, Uriah Heep oder auch Deep Purple. Denn Flying Circus spielen auf Seasons 25 ihre Musik und nicht die der anderen. Das hat schon etwas sehr eigenes und wenn hin und wieder bestimmte Keyboardsounds an die vorgenannten Bands erinnern, dann ist das nicht epigonenhaft zu verstehen. Vielmehr ist es eine subtile Verbeugung gegenüber dieser Art von Musik. Und genau das macht die Band so sympathisch.
Auf Seasons 25 präsentieren die Musiker alte Kompositionen, die sie nach 25 Jahren neu eingespielt haben. Der Klang ist präzise, druckvoll und raumgreifend. Beispielsweise mag ich besonders gerne die verschiedenen Klangfarben des Keyboards im Song „Footprints in the Sand“. Und die Leadgitarre sprengt den Rahmen und sorgt mit einem fulminanten Solo für noch mehr Farbbrillianz.
Der Höhepunkt: Never Again
Und es gibt sogar einen Höhepunkt auf der Scheibe, nämlich „Never Again“, der zweite Song, den mir Facebook durch seinen Algorithmus vorschlug. Die E-Gitarre eröffnet mit einem schönen Riff, der Keyboarder zitiert die Doors und das einsetzende Schlagzeug klingt absolut straight, ist es aber nicht. Und habe ich schon ein Wort über den knackigen Bass verloren, der gerade in diesem Song ganz vorne mitspielt. Und Michael Dorps Stimme erinnert mich ständig an… ich weiß nicht, wen, ich denke noch darüber nach.*
Das alles ist in der Summe rund und stimmig und sehr klasse eingespielt. Seasons 25 ist mehr als nur eine Neueinspielung. Und wenn die Band bislang von mir nicht wahr genommen wurde, findet das mit dieser Plattenbesprechung hoffentlich einen guten Anfang.
* Stefan Danielak von Grobschnitt (zumindest die Klangfarbe). Aber wie gesagt, ich denke noch nach 🙂
Daten zur CD
Erscheinungsjahr | 2022 |
Herkunftsland | Deutschland |
Label | Fastball Music – FB22C3304 |
Preis | Jetzt aktuellen Preis bei Amazon hier prüfen. |
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