Seconds Out – Genesis: Steve Hacketts Abschied in Perfektion

Letzte Woche war es wieder soweit. Steve Hackett schaute mit seiner Band in der Lichtburg in Essen vorbei und ich durfte das vierte Mal bei einem Konzert von ihm dabei sein. Das erste Mal habe ich ihn 1979 in der Philipshalle in Düsseldorf gesehen, da war er mit seinem dritten Solo-Album „Spectral Mornings“ unterwegs, wahrscheinlich das schönste Konzert, dass ich jemals gesehen habe. Etwa 2 Jahre vorher bin ich Hackett zum ersten Male auf Schallplatte begegnet. Warum Seconds Out sein perfekter Abschied von Genesis war.

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Musikalische Initialzündung auf Klassenfahrt

Meine erste Berührung mit Genesis verdanke ich einer Klassenfahrt an den Niederrhein. Dort lief nächtelang „Wish You Were Here“ von Pink Floyd auf einem alten Plattenspieler, begleitet von „Crime of the Century“ von Supertramp, das mein Freund Gisbert mitgebracht hatte. Diese vier Tage waren musikalisch lebensverändernd. Sofort danach kaufte ich beide Alben und erhielt zudem eine „Must-have“-Liste von meiner damaligen heimlichen Liebe Sabine. Darauf stand Genesis’ Album „The Lamb Lies Down On Broadway“ mit der Empfehlung des Songs „The Carpet Crawl“.

Genesis entdecken und erste Zweifel

1977 gab es auf der Flinger Straße den aus meiner Sicht besten und billigsten Plattenladen in ganz Düssesldorf. Der „Music Shop“ hatte nicht nur eine große Auswahl an Schallplatten sondern auch immer tolle Sonderangebote und zwar im Eingangsbereich. Dort lagen die mir meist unbekannten Scheiben mit ihren attraktiven Covern hochgestapelt für 9,90 DM auf dem Boden.

Und hier lag auch die Lamb herum, italienische Pressung, ich hatte ja keine Ahnung. Zu Hause habe ich die Tracklist gecheckt. „Carpet Crawl“ war auf der zweiten Seite, also habe ich diese Seite auch aufgelegt. Was soll ich sagen, mein allererstes Stück von Genesis war also „Back in New York City“ und ich konnte überhaupt nichts damit anfangen. Auch die folgenden Stücke klangen wie eine Begegnung mit einer anderen Art von Musik. Ich war enttäuscht. Wie konnte sich meine große Liebe nur so irren?

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Doch es gab noch Thomas Sprunk, der mit seiner Familie in einem großen Einfamilienhaus in Gerresheim lebte. Sein Vater war irgendwas Besonderes bei der Feldmühle. Thomas selbst ist im Gymnasium in der fünften Klasse hängengeblieben und musste nun immer in die Realschule nach Flingern kommen. Thomas konnte meinen Unmut überhaupt nicht verstehen und überspielte mir „Selling England by the Pound“ auf eine Kassette, die ich ihm mitgebracht hatte.

„You are a robbing hood“ sang er mir bei der Übergabe ins Gesicht, eine Anspielung auf seinen Lieblingssong des Albums. Und als mich Peter Gabriel zum ersten Male aus meinen Lautsprechern heraus „Can you tell me where my country lies?“ hatte ich in etwa eine Ahnung, was ich bislang alles in der aktuellen Musik verpasst hatte. Mit Punk hatte das natürlich nichts zu tun, auch wenn der Ratinger Hof nur einen Steinwurf weit weg war von meinen Lieblingsplattenladen.

The Musical Box

Bernd Schlarmann spielte mit mir zusammen imaginäre Keyboards oder auch Drums, wir wechselten uns damit ab, während wir „The Musical Box“ oder auch „The Fountain of Salmacis“ in meinem Zimmer feierten. Mit seinem Bruder hatte Bernd bereits Genesis live sehen können, 1976 auf der „Trick of the Tail“ Tour. Er war mir also mindestens zwei Alben voraus. Und es ging uns ja nicht nur alleine um Genesis sondern auch um weitere Bands, wie beispielsweise The Alan Parsons Project oder auch Santana und 10CC und, und, und…

Seconds Out erscheint am 17. Oktober 1977

Und zwar als Doppelalbum. Blöd nur, dass ich dass nicht wußte, als ich mir „Moonflower“ von Santana vor allem wegen des Covers gekauft habe. Mein Geld war alle, also fragte ich meine Eltern, ob sie mir nicht „Seconds Out“ zu Weihnachten schenken könnten. Kurze Zeit später stand die Platte bereits sehr gut versteckt im oberen Teil des Wohnzimmerschranks. Und bis Weihnachten dauerte es noch gute 6 Wochen. Also schlich ich mich ins Wohnzimmer und tauschte die beiden Platten gegen die Scheiben von Moonflower aus. Meine Eltern hatte ja keine Ahnung. Zu Weihnachten bekam ich dann das Album offiziell. So war das damals, als ich ein „robbing hood“ war.

Das zweite Album von Genesis zu besprechen, hieße, Eulen nach Athen zu tragen. Es gibt unglaublich viele sehr gute und auch sehr ausführliche Besprechungen, ihr müßt euch nur die „Babyblauen Seiten“ oder auch die Seite des deutschen Genesis-Fanclubs anschauen. Dort gibt es neben verschiedenen Meinungen auch schöne Bewertungen der einzelnen Tonträger. Meine Originalausgabe von 1977 steht neben der CD-Ausgabe von 1994 steht neben der Vinyl-Remixed/Remaster-Ausgabe von 2009, mehr braucht man nicht.

Los Endos

Wo bin ich also zum ersten Male Steve Hackett begegnet? Ich habe oben etwas den Faden verloren. Jedenfalls waren Harald und ich 2022 in Berlin, als Hackett und seine Band das komplette „Second Out“-Album gespielt haben. Was für ein Erlebnis, als es mit Squonk losging und mit Los Endos aufhörte. Gut, davor wurden wir noch etwas mit Hacketts eigenen Songs gequält, sonst wäre das Konzert etwas zu kurz gewesen. Aber dieses aus verschiedenen Tourneen zusammengestückelte Album, mal mit Chester Thompson, mal mit Bill Brufford am Schlagzeug, ist etwas ganz Besonderes.

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, erschien es damals dem Kritiker des Musik Express etwas müde, aber ich denke dies war und ist der Abmischung geschuldet, die die von Hackett gespielte Gitarre in den Hintergrund verlagerte. Auf der Ausgabe von 2009 wird sie wieder mehr in den Vordergrund gestellt. Und was Hackett und seiner Band nicht ganz überzeugend gelang, ist die Schlagzeug-Auflösung am Ende von Los Endos. Vielleicht auch aus Respekt vor dem Original.

Noch ein paar Trivia? Collins wollte bei Squonk wie John Bonham klingen. Das ist ihm unzweifelhaft gelungen. Und bei der Ausgabe von 2009 hört man nur einen kurzen Schlag der Sticks. Dafür sind die Snares noch näher am Ohr. Aber es gibt kein „There’s no business like show business“ kurz vor der Auslaufrille der vierten Seite. Und „Seconds out“ ist ein doppeltes Wortspiel, einmal geht es darum, dass mit Steve Hackett der zweite Abgang zu verzeichnen war, andererseits war damit auch das zweite Live-Album gemeint.

Fazit: Ein „must-have“ für Musikliebhaber

Seconds Out von Genesis ist nicht einfach nur ein Live-Album – es ist ein historisches Zeitdokument und gehört zweifellos zu den größten Meilensteinen der Progressive-Rock-Geschichte. Steve Hacketts Abschied von Genesis wurde mit diesem Album legendär. Wer es heute hört, versteht, warum diese Platte seit Jahrzehnten Fans weltweit begeistert.

Links zu Genesis


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