Texte werden meistens entweder gar nicht gehört oder mitgesungen, ohne die Botschaft zu verstehen. Hier nun zehn der meiner Meinung nach besten Songtexte, bei denen wir einmal genauer hinhören sollten, was uns der Autor eigentlich sagen will. Der erste hier vorgestellte Song ist fast 75 Jahre alt und leider aktueller denn je. Wir bringen unseren Kindern den Rassismus und den Hass bei. Niemand anderes.
Rodgers & Hammerstein – Carefully Taught
Geht es um Rassismus und seine Ursachen, gibt es keinen besseren Text zum Verständnis der Hintergründe. Das Stück ist aus dem Musical „South Pacific“ aus dem Jahre 1949 und es wurde unzählige Male von Künstlern wie Barbra Streisand, James Tayler oder auch Michael Johson gecovert. Die beste Version kommt allerdings von Ian Matthews und seinem Album „Stealin‘ home“. Ich lasse einfach den leicht gekürzten Text für sich sprechen:
„You’ve got to be taught to hate and fear
day after day, year after year
It’s got to be drummed In your dear little ear
You’ve got to be carefully taught
You’ve got to be taught before it’s too late
Before you reach six or seven or eight
To hate all the people your relatives hate
You’ve got to be carefully taught!“
Gil Scott-Heron – Whitey On The Moon
Auch der zweite hier vorgestellt Text hat mit Rassismus zu tun. Gil Scott-Heron macht in seinem Spoken-Word-Gedicht klar, was er davon hält, dass die Amerikaner riesige Ressourcen aufgebraucht haben, um auf dem Mond zu landen. Das Stück wird von Congas begleitet und dauert knapp 2 Minuten. Noch heute sind die Gedanken von Gil Scott-Heron angesichts der ersten Weltraumtouristen richtig und wichtig. Wer heute für eine Reise ins All 20 Millionen Dollar hinblättert, hat überhaupt nichts verstanden. Oder machen wir es etwas kleiner: Auch die Kreuzfahrttouristen sollten ihr Handeln überdenken.
„Eine Ratte hat meine Schwester Nell gebissen
die Weissen sind auf dem Mond gelandet
ihr Gesicht und ihre Arme begannen anzuschwellen
und die Weissen sind auf dem Mond
Ich kann keine Arztrechnung bezahlen
aber die Weissen sind auf dem Mond
In zehn Jahren zahle ich immer noch
während die Weissen auf dem Mond ist sind.“
The Kinks – Superman
Ray Davies war immer schon ein genauer Beobachter des Alltags. In seinem Song „Superman“ aus dem Jahre 1979 berichtet er von seinem Wunsch Supermann zu sein, um die Welt zu retten. Leider klappt das mit seiner Hühnerbrust nicht. Und auch dass er nicht schwimmen kann, könnte ein Problem sein. Der Text ist mittlerweile 44 Jahre alt und hat bis heute nichts von seiner Aktualität verloren. Alles, was Davies beschreibt, haben wir heute noch am Hals. Kleine Anekdote am Rande: Ray sollte ein Stück schreiben, dass für die Disco geeignet wäre. Hat er gemacht, obwohl er Discotheken hasste.
„I’d really like to change the world
Save it from the mess it’s in
I’m too weak, I’m so thin
I’d like to fly but I can’t even swim“
Justin Currie – What Is Love For?
Gute Frage. Und leider hat Justin Currie keine Antworten parat, sondern stellt in diesem Song den Sinn von Liebesbeziehungen grundsätzlich in Frage. Und das macht er pointiert und durchaus gescheit. Liebe ist aus seiner Sicht nichts anderes als 20 Milliarden perfekte Fehler. Warum er das so sieht beantwortet er in der letzten Strophe:
„What is love for?
What do I do with love I can’t use for her anymore?
Where do I put this beautiful suit another man wore?
What is love for?“
Hal David – Close To You
Hal David ist wahrscheinlich vielen Menschen völlig unbekannt. Und doch sind seine Texte unsterblich geworden. Das beste Beispiel ist der Song „Close to you“, dem in seiner ersten Fassung 1963 kein Erfolg beschert wurde. Und auch die zweite Version von Dionne Warwick ging mehr oder weniger unter. Erst Richard Carpenter gelang es, das Stück mit einem unsterblichen Arrangement auszustatten, um damit 4 Wochen lang den ersten Platz der Billboard-Charts zu erobern. Und doch sind es vor allem die schlichten Worte von Hal David, die in meinem Ohr überdauern werden:
„Why do birds suddenly appear, every time you are near
Just like me, they long to be close to you
Why do stars fall down from the sky, every time you walk by
Just like me, they long to be close to you“
Heinz Rudolf Kunze – Madagaskar
Über diesen Text habe ich viel nachdenken müssen. Hinzu kommt, dass die Musik das ganze noch ambivalenter macht. Eigentlich ein fröhliches Lied, man singt mit bis man merkt, was der Kunze da eigentlich singt. Und dann bleibt einem das Singen im Hals stecken. Und wenn man dann noch überlegt, dass die Stimmung in Deutschland wieder in die gleiche Richtung wie vor dem zweiten Weltkrieg geht, dann frage ich mich auch selber, wo ich versagt habe. Schon 2015 haben mir meine Kollegen gesagt, dass sie keine Flüchtlinge in ihrem Land haben wollen. Und ich habe dagegen gehalten und gesagt, dass wir Zuwanderung brauchen. War ich einfach nur zu naiv, dass ich in die „Botschaft“ nicht hören und wahrhaben wollte?
„Die haben das doch gar nicht gewollt
Die wollten doch nichts weiter als die los sein
Und schließlich war ja außerdem noch Krieg
Die haben das doch gar nicht gewollt
Ein Mißgeschick, das warn doch auch nur Menschen
Beim Hobeln fallen Späne für den Sieg“
Bruce Springsteen – Racing In The Street
Ich habe jahrelang gebraucht, um diesen Text zu verstehen. Zuerst dachte ich, es geht um die Liebe zu einem Auto, um die Liebe zum besten Kumpel (ein Auto, ein Freund?), dann um die Liebe zu einer Frau. Erst vor kurzem habe ich eine adäquate Übersetzung ins Deutsche gelesen und dann ist mir endlich klar geworden, dass es genau genommen um alles bereits genannte geht. Springsteen bringt in dieser Ballade all das zusammen, was die Jugend in den siebziger Jahren in den Staaten bewegt hat, auf den Punkt. Am Ende rast der Protagonist weiter mit seinem Auto um die Wette durch die Stadt, während seine Freundin ihren Glauben an die Liebe verloren hat. Passiert noch heute täglich in unseren deutschen Großstädten.
„Tonight, tonight the highway’s bright
Out of our way, mister, you best keep
‚Cause summer’s here and the time is right
For racin‘ in the street“
Del Amitri – Cash And Prizes
Unser derzeitiger Finanzminister hat eine ähnliche Aussage über seinen Porsche gemacht. Er liebt den satten Sound des Motors, wenn er Gas gibt. Und anscheinend ist es ihm völlig egal, was die von ihm Überholten dabei denken. Justin Currie stellt aber genau das in diesem Song in Frage. „Ich liebe den Sound meines Rolls Royce, doch ich habe keine Ahnung, wer ich wirklich bin.“ Und am Ende ist der Fragestelle völlig verzweifelt darüber, dass seine Söhne genauso geworden sind, wie er selbst. In diesem Leben muß man erfolgreich sein, koste es, was es wolle.
„I’ve got two sons competing to be the images of me
But cash and prizes, I guess it’s all that they can see
All that they can see.“
Michael Kunze – Griechischer Wein
Udo Jürgens war vom Erfolg seines Songs sofort überzeugt. Er hatte das Lied nach einem Urlaub auf Rhodos geschrieben und wartete auf einen guten Text, denn „Sonja wach auf“ sollte es nicht heißen. Erst Michael Kunze gelang es, mit einer Gastarbeiter-Geschichte den richtigen Ton zu finden. Und ich denke, dass es heute vielen Flüchtlingen genauso geht, wie es damals den Gastarbeitern gegangen ist. Weit weg von zu Hause, weit weg von der Familie, der Frau und den Kindern. Wir wissen gar nicht, wie privilegiert wir Deutschen sind. Und das wir gerade unsere Reputation in der Welt verspielen.
„Griechischer Wein , und die altvertrauten Lieder
Schenk‘ nochmal ein, denn ich fühl‘ die Sehnsucht wieder
in dieser Stadt werd‘ ich immer nur ein Fremder sein
und allein.“
BAP – Kristallnaach
Unzweifelhaft der beste deutsche Liedtext, der jemals geschrieben wurde. Oder ist da jemand anderer Meinung? Nie, wirklich niemals hat dieser Text an Aktualität eingebüßt. Und das ist einfach nur schrecklich. Ich habe erst wieder vor kurzen Bilder aus der Reichsprogromnacht gesehen, die mich fassungslos gemacht haben. Da liegen die aus einem Fenster geworfenen Möbel der jüdischen Mitbewohner auf der Hüttenstrasse in Düsseldorf auf der Straße und die Passanten gehen daran vorbei. Es ist ein Sinnbild für das, was heute wieder passiert. Wir sehen es, wollen es nicht wahrhaben und gehen einfach weiter. Bis es zu spät ist.
„Un dann rettet kein Kavallerie
Keine Zorro kömmert sich dodrömm
Dä piss höchstens e „Z“ en der Schnie
Un fällt lallend vüür Lässigkeit öm
‚Na un? Kristallnaach.'“
Danger Dan – Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt
Unzweifelhaft der zweitbeste deutsche Liedtext. Hellsichtig, provozierend und fürchterlich aktuell beschreibt Daniel Pongratz unter seinem Moniker Danger Dan, wie Rechtsextreme, Nationalisten, Faschisten, Querdenker sich als brave Mitbürger ausgeben und dabei die Demokratie abschaffen wollen. Und der Musiker schafft es sogar, einem fast schon vergessenen Schriftsteller den roten Teppich auszurollen, indem er ihm in seinem Text Rosen auf den Weg streut. Deshalb zitiere ich jetzt ausnahmsweise mal nicht aus einem Lied von Danger Dan, sondern aus einem Gedicht von Kurt Tucholsky:
Wenn sie in ihren Sälen hetzen,
sagt: „Ja und Amen – aber gern!
Hier habt ihr mich – schlagt mich in Fetzen!“
Und prügeln sie, so lobt den Herrn.
Denn Prügeln ist doch ihr Geschäft!
Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft!
Das war’s mit meiner Liste der besten Songtexte. Weitere interessante Listen haben wir für Sie hier zusammengestellt.
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