Turn of a friendly card – Alan Parsons Project

Es ist nicht besonders leicht, man eine so bekannte Platte wie „Turn of a friendly card“ vom Alan Parsons Project zu besprechen. Es wurde doch schon alles dazu gesagt, nur noch nicht von mir. Mein Cousin Oliver hat sich gerade eben noch einmal mit der Maxi-Single von „The Gold bug“ eingedeckt, dem einzigen instrumentalen Stück auf diesem Album von 1980, das zum ersten Male nicht in einem Gatefold-Cover steckte. Und er hat die Maxi gekauft, obwohl das Stück eine Minute kürzer ist, als auf dem Album. Der analoge Sound klingt auf einer 12-inch-Scheibe mit der breiten Rille einfach fetter. Dies ist aber nicht der einzige Grund, das Album zu besprechen – ich hatte es schon seit geraumer Zeit auf einer Liste mit gutklingenden Platten.

Die erste Begegnung mit Alan Parsons erfolgt meist unbewußt

Meine erste Bekannschaft mit Alan Parsons habe ich mir beim Schreiben dieser Besprechung noch mal in Erinnerung gerufen. Es war John Miles mit seinem Hit „Music“ von 1975 – hier konnte man eindrücklich hören, wozu ein Popsong in Verbindung mit einem Orchester fähig ist. Ganz großes Kino und für den Musiker sein einziger bemerkenswerter Erfolg. Aber John Miles war auch bereits auf der ersten Platte des Alan Parsons Project „Tales of mystery and imagination von 1976 als Sänger beteiligt. Und halt – da gab es doch auch noch diese kleine Band, die zwei Hits ablieferte. Pilot hatten mit „Magic“ und „January“ bereits viel eher meine Gehörgänge in Anspruch genommen – beide Stücke wurden ebenfalls von Alan Parsons produziert. Und dann wurde Pilot ebenfalls Teil des Projects.

„Eve“ – Zugeständnisse an die Plattenfirma

Noch im Jahr zuvor mußten Alan Parsons und Eric Woolfson Zugeständnisse an die Plattenfirma machen, die mit dem Project unbedingt auf dem amerikanischen Markt Fuß fassen wollte. Vor allem kürzere Songs sollten es sein, damit in den Single-Charts auch Geld verdient werden konnte. Mit dem vierten Album „Eve“ entsprach das Alan Parsons Project diesem Wunsch und brachte vollendete Popsongs auf dem Weg, von denen nicht ein einziger Song in den amerikanischen Charts landete.

Alles auf eine Karte

Eric Woolfson lebte damals bereits mit seiner Familie in Monaco. Daher war das Thema für das nächste Album schnell gefunden, eben das Glücksspiel. Das Album hat dem Zuhörer jede Menge Soundeffekte und Soundideen zu bieten. Und dies auch nach mehr als 40 Jahren. Eröffnet wird der Zyklus wie gewohnt mit Orchesterklängen, bevor das Schlagzeug gemeinsam mit einem Basslauf den Song fortführen. „May be the price to pay“ ist der passende Opener für das Album. Danach folgt die Singleauskopplung „Games people play“. Dieses Stück ist heute noch fester Bestandteil bei Live-Auftritten.

Schon immer warfen Kritiker dem Project Anbiederung an den Massengeschmack vor. Diesen Vorwurf habe ich nie verstanden und war mir auch immer egal. Es gibt tolle Melodien und einen faszinierenden Einsatz verschiedenster Musikinstrumente. Mit „Time“ folgt nun der erste Song, den Eric Woolfson selbst singt. Eigentlich hat er das immer getan, alle Stücke trugen in der Demo-Fassung seine Stimme als Guide Vocal, bevor dann ausgewählte Sänger wie eben John Miles oder auch Dave Townsend den Stücken ihren Stempel aufdrückten. Auf dieser Platte sind es diesmal Chris Rainbow, Elmer Gantry und Lenny Zakatek, der mit seiner Stimme und „I don’t wanna go home“ die erste Seite abschließt.

Turn of a friendly card – Umwerfende Suite

Eine zweite Seite hat schon immer mehr Sinn gemacht, als eine durchgängige CD mit ihren 73 Minuten. Die Langspielplatte gibt uns Gelegenheit, nach etwa 20 Minuten zu verschnaufen. Durchatmen, reflektieren, was wir da gerade gehört haben. Wir können uns dann entscheiden: Wollen wir aufhören oder lieber weiter zuhören? Wir machen das Zweite und endlich kommt auch der „Gold Bug“ zum Zuge. Das Intro klingt irgendwie nach Italo-Western. Dann übernimmt das Saxofon und anschließend überlagern sich die Gesangsstimmen und bringen das Stück sicher nach Hause.

Wir haben lange genug auf „Turn of a friendly card“ gewartet, hier kommt nun die ganze Suite und ist mit ihren insgesamt 16 Minuten das längste „zusammenhängende“ Stück, dass das Alan Parsons Project jemals eingespielt hat.

Ich zitiere gerne ein paar Kommentare, die die Worte „Masterpiece“ oder „Perfection“ beinhalten. Chris Rainbows Stimme ist sehr nahe an der Stimme von Woolfson dran, der im vorletzten Stück noch einmal selbst die Vocals übernimmt. Die Melodien sind sehr fein und das war das Aushängeschild beim Project. Die Suite besteht aus insgesamt 5 Teilen mit jeweils etwa 3 Minuten Spielzeit. Klar, das ist Popmusik, nichts anderes und die Orchesterparts sind immer wieder dominant und sehr geschmackvoll. Man kann natürlich genau das dem Produzenten und seinem Komponisten vorwerfen. Einige Kritiker tun dies und attestieren der Platte eine gewisse Klebrigkeit. Ich mag das trotzdem gerne hören. Wer beim letzten Stück der Platte, nach dem Gitarrensolo, nach den Hörnern, nach den Streichern und allem anderen Zipp und Zapp keine Träne verliert, muß, was weiß ich, eben Miles Davis oder Frank Zappa hören.

Wie ist der Klang?

Auch diese Platte ist etwas für Klangfetischisten – noch umwerfender als diese Scheibe klingt nur noch „Eye in the sky“, das Nachfolgealbum von 1982. So transparent wie man hier die Klangfarben der einzelnen Instrumente hören kann, habe ich noch keine andere Vinylscheibe des Alan Parsons Project erlebt. Auch nicht die erste Scheibe. Das lag aber auch daran, dass man damals auf den deutschen Wühltischen schon Pressungen verscherbelte , die einfach nur billig waren. Hier wird mir mein Cousin Oliver nicht zustimmen – für ihn klingen auch die nachfolgenden Platten atemberaubend gut. Recht hat er – ich finde nur, dass die Songs nicht mehr so präzise auf den Punkt waren. Na gut Olli, „La sagrada familia“ ist ebenfalls ganz großes Kino.

Turn of a friendly card und Schach

Wer sich gerne veräppeln läßt, sollte übrigens mal in „The Sicilian defence“ reinhören, dem damals nicht veröffentlichtem „viertem“ Album der Band. Hier zeigte das Alan Parsons Project ihrer Plattenfirma, was es vom Druck auf Komponisten und Produzenten hält. Parsons und Woolfson sollten gefälligst liefern, und zwar in der Zeit. Als ob Kreativität einfach so abrufbar ist. Ich finde, die beiden haben das mehr als subtil gelöst. Parsons wollte, dass diese Platte niemals das Licht der Öffentlichkeit erblickt. Das hat auch etwa 30 Jahre lang geklappt.

Daten zur Pressung

Erscheinungsjahr1979
HerkunftslandDeutschland
Katalognummer203 000
Label Arista
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Daten zur hier bewerteten Pressung

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