XII – Barclay James Harvest: Leicht zu lieben

Das Album „XII“ von Barclay James Harvest war nur eines von 4 Großereignissen in diesem für mich musikalisch richtungsweisendem Jahr 1978.

Meine Leidenschaft für Barclay James Harvest war bei Erscheinen der Platte auf dem Höhepunkt. Ich hatte das komplette letzte Jahr alles von der Gruppe gekauft, was auf dem deutschen Markt erhältlich war. Darunter auch Kompilationen wie „Early morning onwards“ und „Best of BJH“. Aber auch die wunderschöne „Live Tapes“, die aus meiner damaligen Sicht im Vergleich zur ersten Live-LP aus dem Jahre 1974 die besseren Songs an Bord hatte.

Vorher noch die Live-Tapes

„Live Tapes“ kam für mich völlig unerwartet im Juni 1978 in die Läden. Ich begleitete gerade meinen Vater auf einer Dienstreise nach Oldenburg und ich erinnere mich, dass ich im dortigen Freibad im Musik Express die Anzeige las. Noch hatte ich mich gar nicht satt gehört am ersten Live-Album, dass ich im Jahr zuvor von meinen Eltern zu Weihnachten bekam. Es gab zwar drei Überschneidungen auf dem Doppel-Album, aber das war mir damals ziemlich egal. Dann drei Tage später, am 6. Juni hielt ich die „Live Tapes“ in meinen Händen. Konnte es noch besser werden? Erstmal nicht.

Etwa einen Monat später, am 3 Juli 1978 hatte ich mir im Urlaub in Bayern versehentlich tief in den Finger geschnitten und ein Sehne durchtrennt. Folglich musste ich ins Krankenhaus und lag eine Woche lang alleine in einem großen Zimmer. Aber es gab dort ein Radio und ich konnte die SWR3 Album-Charts hören. Dort wurde dann kurz vor Mitternacht das Album der Mandalaband „The eye of wendor“ vorgestellt. Und auch hier spielte Barclay James Harvest mit, mehr noch, das Intro der „Live Tapes“ war auch auf dieser Platte mit dabei.

Und dann kam auch noch das neue Studioalbum auf den Markt.

XII – Barclay James Harvest: Schrott oder doch nicht?

Schrott. Oder doch nicht? Ich war damals hin- und hergerissen, als ich die Platte am 23. September 1978 im Studio 33 auf der Flingerstrasse in Düsseldorf für 13,80 DM gekauft habe. Klar, der Einstieg mit „Loving is easy“ hat mir direkt gut gefallen. Ein gelungener Auftakt. Und Kuhglocken waren auch dabei. Erst viel später fiel mir auf, dass der Song einen ziemlich zweideutigen Text hat. Aber dies Stück war eben „leicht zu lieben“. Dann wurde es schnulzig und ich verstehe bis heute nicht, warum den Leuten der Song „Berlin“ so gut gefallen hat.

Barclay James Harvest – XII* war der direkte Nachfolger zu „Gone to earth“ und aus heutiger Sicht kann ich mir eigentlich nur noch die zweite Seite des Albums gut anhören. Denn auf der ersten Seite gab es eher nur leichte Kost. Gut, wie üblich wechselten sich Les Holroyd und John Lees mit ihren Kompositionen ab. Allerdings ging lediglich von „In Search of England“, dem letzten mit Wooly Wolstenholme eingespielten Song noch der Charme der alten Barclays aus. Aber die zweite Seite des Albums machte vieles wieder richtig und hat mit „Nova Lepidoptera“ und „The Streets of San Francisco“ noch zwei Klassiker der Band an Bord.

B-Seite mit Morsezeichen

„Nova Lepidoptera“ startet mit Morsezeichen (U-F-O) und mündet in einem Crescendo, bevor der Song richtig startet und von einer Reise durch das Weltall handelt. Der Song hat eine schöne Melodie und rückwärts gespielte Gitarren sind offensichtlich auch dabei.

Danach folgt „Giving it up“ ein Song von Les Holroyd, der mich ein wenig an „Taking me higher“ vom Vorgänger-Album erinnert. Gesungen von Les Holroyd und John Lees, die hier ihre Stimmen im Multitracking vervielfacht aufgenommen haben. Die Platte wurde in den Strawberry Studios aufgenommen, welches der Band 10cc gehörte. Vielleicht kommt daher eine gewisse instrumentale Ähnlichkeit mit deren Hit „I’m not in love“ zustande.

Der letzte Song klingt mit einer Mundharmonika recht ungewöhnlich aus. In „The Streets of San Francisco“ erzählt uns John Lees vom Golden Gate Park Killer, bei dem es sich um eine Frau handelt. Schön gemacht und sehr relaxed eingespielt. So kannte man die Band bisher nicht.

XII – Barclay James Harvest: Das Cover

Das Cover war erneut ein Hingucker mit erhabener Schrift. Auch die Texte wurden auf einem Faltblatt mitgeliefert (wir sprechen natürlich von der Vinyl-Ausgabe). Der Titel „XII“ bezieht sich auf die zwölfte Veröffentlichung von Barclay James Harvest (allerdings je nach Zählweise mit und ohne Live-Alben oder Sampler) sowie auf das zwölfte Jahr des Bestehens der Gruppe.

Barclay James Harvest – Das Konzert

Ein im Jahr 1978 selbst aufgenommenes Foto von Barclay James Harvest in der Philipshalle in Düsseldorf.

Und es kam noch besser. Barclay James Harvest spielten am 22. Oktober 1978 in der Philipshalle in Düsseldorf. Ich hatte bereits 2 Karten, eine für mich und eine für meinen Freund Thomas, der sich ebenfalls die „XII“ gekauft hatte. Gegenüber unserer Haustüre stand eine Lifaßsäule. Hier knibbelte ich das noch frisch angeklebte Konzertplakat ab, trocknete es und hing es in meinem Zimmer auf. Ich hab sogar noch Ausschnitte davon.

Am Konzertabend, ein Sonntag, saßen wir auf unseren Parkas auf dem Boden der Halle. Relativ nah an der Bühne konnte ich die Band mit meiner reingeschmuggelten Kamera fotografieren. Um uns herum waberte der Geruch von Marihuana und brachte uns in Hochstimmung. Wir waren glücklich.

Alles in allem war 1978 für mich wahrscheinlich das schönste Jahr der Rockmusik. Ich war 16 Jahre alt, es gab noch soviel zu entdecken. 

Galerie

Daten zur Pressung

Erscheinungsjahr1978
HerkunftslandDeutschland
Katalognummer
LabelPolydor
PreisAnfang 2022 gibt’s die Schallplatte bei Amazon gebraucht für ca. 12 Euro*
Daten zur hier bewerteten Pressung

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