Triptych – Fischer-Z: Zurück im Paradies

Als ich mir am 22. April 1981 mein erstes Fischer-Z Album kaufte, konnte ich nicht ahnen, dass es 43 Jahre später immer noch Gründe gibt, diese Art von Musik zu hören – „Triptych“ hat mich eines Besseren belehrt!

Allerdings muss ich zugeben, dass ich 2010 mein letztes Album von Fischer-Z gekauft habe. Aus meiner Sicht war musikalisch alles auserzählt. Denn John Watts spielte verstärkt die Akustikgitarre und die Songs schwächelten melodisch. Hatte er vorher immer noch mindestens drei bis vier sehr starke Songs auf den Alben, blieben diese nun aus. In den folgenden Jahren habe ich natürlich immer wieder in die neuen Alben reingehört, es war aber nichts dabei, was mich wirklich umgehauen hat.

Die neue Fischer-Z „Triptych“

Nun also steht sein, ich muss nachsehen, 19. oder 20. Album im Laden und Watts schreibt immer noch gute bis sehr gute Songs, die sofort ins Ohr gehen. Vielleicht nicht mehr sofort in mein Ohr, dazu habe ich viel zu viele Lieblingsstücke von ihm auf meiner Liste stehen, als dass die neuen Songs diese noch aus meiner Top-20-Liste aller John-Watts-Songs ersetzen könnten. Sollte ich diese Liste allerdings um weitere zehn Songs aufstocken, wären aber mindestens drei Stücke vom neuen Album „Triptych“ dabei.

Nefertete – Die schönste Frau der Welt

Hat John Watts eigentlich jemals ein Liebeslied geschrieben? Angesichts des neuen Albums erübrigt sich diese Frage, denn die Songs handeln von der Liebe, von Macht und vom Menschsein im Besonderen. Fangen wir mit den Love-Songs an, denn diese wurden zuerst auf einer EP veröffentlicht. Zu diesen Songs gehören „The Hamburg Beat“, „This Woman And I“, „Nefertete“ und „Man Man Man“.

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Los geht es mit dem Uptempo-Song „Nefertete“, in dem Watts die schönste Frau des Altertums in Paris wieder trifft. Der Song geht sofort ins Ohr und wäre eine gute Single-Auskopplung. Gibt es so etwas heute überhaupt noch? Gibt es eigentlich noch B-Seiten in der Streaming-Welt? Egal, beim zweiten Song „The Moral Vacuum“ wird Watts politisch und verhandelt noch einmal den Brexit aus seiner Sicht:

Can’t afford to drive the children, have to walk to school.

John Watts

Auch dieser Song hätte Hit-Potenzial, allerdings nur in einer gerechten Welt. Wenn es diese gäbe, hätte der Brexit niemals stattfinden dürfen. Und Watts müsste nicht, wie er in diesem Song singt, anderen Meinungen hinterherlaufen.

Cover und Innersleeve von „Triptych“

Triptych steht für Liebe, Macht und Menschsein

Mir gefällt vor allem der Text von „Hamburg Beat“, der ganz offensichtlich auf die Zeit der Beatles in Hamburg anspielt. Dass diese Zeit schon lange vorbei ist, beklagt Watts sehr deutlich mit folgenden Worten:

There was a busker singing woman, it almost broke my heart.

John Watts

Ich habe zwar noch nicht mit Watts gesprochen, doch ich gehe stark davon aus, dass er sämtliche Lennon & McCartney Songs nachspielen könnte. Wahrscheinlich steht auch Dylan auf seiner Playlist.

Das Album läuft nun bereits zum vierten Mal im Hintergrund durch. Und auch dass ich alle 20 Minuten aufstehen und die Platte umdrehen muss, ist ein schöner Nebeneffekt des Vinyls. Man bleibt in Bewegung. Aus meiner Sicht gibt es keine stärkere Seite, alle Stücke sind gut ausgewogen verteilt.

Meine Fischer-Z / John Watts Sammlung

Blue Sound

Ich bin leider kein Native Speaker, doch das letzte Lied auf dem Album spricht mich musikalisch und textlich am meisten an. John Watts beschreibt hier sehr eindringlich, wie das Gehirn sämtliche Erinnerungen selbst auslöscht und am Ende eine leere Leinwand hinterlässt. Watts hat es immer schon verstanden, ein Album mit einem sehr guten Song enden zu lassen. Auch dieses Mal gelingt ihm das wieder:

„The big sound of the underground, the blue sound of humanity…“

John Watts

Vielleicht berührt mich der Song deshalb so besonders, weil ich gerade selbst erlebe, wie geliebte Menschen sich mit Demenz verabschieden, ihre Erinnerungen verlieren und unerreichbar werden, obwohl sie noch nicht gestorben sind.

Das Stück klingt mit einem Saxophon für Fischer-Z recht ungewöhnlich aus, aber hatte Watts nicht schon auf seinem zweiten Solo-Album Bläser dabei? Die letzten Worte des Songs werden gesprochen und die Platte endet mit einem Kratzen, als ob die Scheibe an dieser Stelle eine Macke hat. Doch irgendwie habe ich den Eindruck, dass das so gewollt ist.

Fazit zu Triptych: Das Vinyl, das Artwork & die Musiker

Das Vinyl klingt sauber und akkurat, leider liegt die Pressung nicht plan auf, eiert ein wenig, läuft allerdings trotzdem ruhig und ohne ein Knistern durch.

Das Artwork ist sehr ansprechend gelungen und obwohl der Bandname auf dem Cover nur mit den beiden Buchstaben F und Z angedeutet wird, reicht das für mich aus, um das Album schon von weitem zu identifizieren. Und großes Lob, dass alle lesenswerte Texte auf dem Innersleeve abgedruckt sind!

John Watts hat wieder einmal eine ganze Band im Rücken, die aus einem Guss spielt. Allerdings hätte ich mir gewünscht (und das war eigentlich schon immer so), dass Johns Stimme noch weiter vorn spielt. Man höre sich nur noch einmal „Destination Paradise“ an. Aber das ist mal wieder Meckern auf ganz hohem Niveau, denn eigentlich macht Watts schon alles richtig. Vielleicht klingt das für mich manchmal etwas zu glatt, dass liegt aber daran, dass ich immer noch die Alben aus der Punk- bzw. New-Wave-Zeit im Ohr habe.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass ich im letzten Jahr „Red Skies Over Paradise“ besprochen habe, das dritte Album von Fischer-Z. Und dass ich eigentlich noch mindestens zwei weitere Alben von John Watts abarbeiten muss. Mal sehen, welche das werden.

Auf der Cover-Rückseite werden auch Ulrich Rode, Anne de Wolff und auch Stefanie Hempel genannt. Während ich die beiden erstgenannten in den letzten Jahren vor allem bei BAP in Köln verortet habe, steht Stefanie Hempel für Hamburg und den Beat gerade. Leider gibt es keinerlei Hinweise, ob die drei auch musikalisch etwas zum Album beigetragen haben – sie werden nur der „Hamburg Beat Crew“ zugeordnet.

Mit Triptych kehrt John Watts ins Paradies zurück. Im Dezember wird er 70 Jahre alt. Und ich hoffe, dass er mindestens 90 wird, damit ich mich weiterhin an seiner ungemein einprägsamen Stimme und seinen überdurchschnittlichen Songs erfreuen kann.

This Is A Plea.

Tracklist

  1. Nefertete
  2. Amoral Vacuum
  3. The Anaesthetist
  4. This Woman And I
  5. A Plea
  6. Sensual Beings
  7. Man Man Man
  8. Still On The Train
  9. Twilight Zone
  10. The Hamburg Beat
  11. Berta
  12. Blue Sound

Daten zur Pressung

Erscheinungsjahr2024
HerkunftslandVereinigtes Königreich
Barcode5060051335013
LabelSo-Real
PreisJetzt aktuellen Preis bei Amazon hier prüfen.
Daten zur hier bewerteten Pressung

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