Chris Kläfford? Nie gehört. Okay. Also den Namen bei YouTube eingeben und sehen was kommt. Oha, ein Video von „America Got’s Talent“. Gottseidank ohne Heidi Klum. Dort tritt Kläfford mit dem Song „Imagine“ auf und rührt das Publikum und auch mich zu Tränen. Das liegt nicht unbedingt an der Darbietung des Songs, sondern eher daran, dass diese Sendung unglaublich gut geschnitten wird. Pathos konnten die Amerikaner immer schon viel besser als wir. Egal, ich komme vom Thema ab. Chris Kläfford kommt aus Schweden, heißt mit bürgerlichem Namen Mikael Christoffer Sjögren und veröffentlicht mit „What I’m Running From“ bereits sein zweites Album.
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Mehr InformationenAmericana?
„A Sinner’s Life“ eröffnet das Album und ich befürchte schon das Schlimmste. Das Stück klingt sehr stark nach dem wunderbar definierbarem Americana-Sound, der sich dadurch auszeichnet, von allem ein wenig anzubieten, also Rock, Roots, Folk, Country & Western, was auch immer. Ich würde das eher einen, sagen wir, erdverbundenen Sound nennen, der einfach alles vom oben genannten durchmischt. Ich höre fordernde Drums und rutschende Gitarrensaiten, die mich an Fleetwood Macs „The Chain“ erinnern. Dazu eine dräuende Orgel und die Stimme von Chris, das klingt absolut perfekt. Er beklagt allerdings das Übliche, dass er zwar die Bibel vorgelesenen bekommen hat, sich allerdings nicht an die Regeln gehalten hat. Deshalb erwartet er auch Absolution, wenn er eines Tages in den Himmel kommt.
Schwedische Aufklärung
Ich bin verwundert, ist es wirklich nötig, dass Kläfford noch einer von diesen wirklich unzähligen Americana Epigonen ist? Singen kann er doch. Doch auch das zweite Stück „Moonshine“ hat in die gleiche Kerbe. Offensichtlich hat der Protagonist im Song einen über seinen Durst getrunken und sieht nun alles doppelt. Die vorgenannten Sounds kommen erneut zum Tragen, ein Barpiano klimpert im Hintergrund und Chris singt dazu wirklich im perfekten Americana Sound, ich sagte es bereits, oder? Der Text läßt uns ins Leere laufen, er beschreibt lediglich, wie es ist, betrunken zu sein, eine feine Kritik höre ich hier nicht heraus. Natürlich hat der Teufel den Schnaps gemacht, wer auch sonst? Wir Menschen haben damit nichts zu tun. So einfach ist das in Amerika.

Die Stimme von Chris Kläfford ist großartig, aber…
Keine Frage, die Stimme von Chris Kläfford ist ein Pfund. Ich könnte es aber auch böser formulieren und anmerken, dass dieses ganze „Let me see your soul, baby…“ Geschwafel sowas von abgestanden und schlecht getextet ist. Dazu singt/jammert der Sänger, obwohl es gar nicht nötig wäre. Und ja, es geht schon wieder ums Saufen, wenn Chris Kläfford singt „You won’t get over it if you leave it to the wine“. Das ist aber auch das Schöne am Americana Sound. Alles ist ganz klar definiert, es geht in der Regel um den lieben Gott und seinen Sohn, das Thema Alkohol, sexuelle Gelüste, die definitiv im Himmel bestraft werden, allerdings nicht früher, es geht immer auch irgendwelche Babys, ich frag mich, wie ein Schwede so blöd sein kann, sich diesen (textlichen und musikalischen) Zwängen zu unterwerfen.
Mein Gott, wo sind nur Benny und Björn, wenn man sie braucht. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Björn jemals in irgendeinem seiner Texte diese Klischees nötig hatte.
Small Town Ghost
Mal sehen, um was es im nächsten Song geht. Wir hören „Small Town Ghost“ und ich schaue mir den Text an und siehe da, wir sind schon wieder in einer Bar und suchen wahrscheinlich eine Frau im Sommerkleid, die irgendwelche Zigaretten raucht und natürlich danach riecht.

Das ist konsequent getextet, den neben Alkohol ist auch Nikotin immer ein schöner Begleiter. Ich weiß gar nicht, ob es ein Nichtraucherschutzgesetz am Arbeitsplatz auch in Amerika gibt, es würde mich allerdings sehr stark wundern, wenn doch. Jetzt fehlen noch die Drogen, vielleicht auch noch ein paar käufliche Damen, aber ich habe die Platte ja noch nicht durch.
What I’m Running From
Ja, das möchte ich auch wissen. Wir starten mal wieder in einer Bar, dass hatten wir ja nun schon, aber dieses Mal geht es um Jesus, nein doch nicht, es geht am Ender um den Sänger, der vor sich selbst wegläuft. Deshalb schenken wir uns noch einen ein und trinken darauf. Ich hoffe nicht, dass Kläfford ein Säufer ist, dass ist in Schweden ziemlich teuer. Dafür geht es im nächsten Song mal nicht um Alkohol sondern um „Adams Ale“, also Bier, und das ist ja bekanntlich kein Alkohol sondern ein Lebensmittel. Jedenfalls wird erneut gebetet, diesmal dass Papa herunterschaut und dass es endlich mal wieder regnet.
Devil On The Run
Im nächsten Song schaut mal wieder der Teufel vorbei und haut wieder ab. Die Drums sind diesmal schön straight, die Frau sieht auch gut aus und beruhigt den Sänger und endlich schafft er es, den Teufel in die Flucht zu schlagen. Nun ja…

Einen Americana Topos habe ich vergessen aufzuzählen – es ist die Erde, natürlich die amerikanische Erde, was sonst. Deshalb beneiden wir die Erde im nächsten Song und das ist gar nicht mal schlecht getextet, zumindest finde auch ich den Gedanken schön, dass unserer Körper irgendwann von Bäumen durchwurzelt werden, wenn wir mal nicht mehr sind. Die Wildblumen, die Birken, die Kiefern und was sonst noch alles werden Spaß daran haben, uns zu umgarnen. Bis ans Ende aller Tage, dort werden wir dann alle gemeinsam auferstehen. Amen.
Way Down The Line
Nach knappen 30 Minuten kommen wir zum letzten Song des Albums. „Way down the line“ läßt uns noch einmal in die Abgründe eines amerikanischen Menschen schauen, der ganz unten angekommen ist. Was braucht der noch anderes als seinen Whiskey und eben die Gewissheit, ganz unten zu sein. Chris Kläfford singt mit unglaublicher Kraft dagegen an. Ich frage mich, warum er das tut. Hat er einen Manager, eine Art Spielerberater, der ihm sagt, dass seine Stimme für solcher Art Themen genau die richtige ist? Muß ich mir Sorgen machen, dass Chris mir irgendwann in einer Bar begegnet und mich um einen Drink anbettelt? Ich hoffe nicht und bin froh, dass die Songs vorbei sind.
Um es ganz klar zu sagen, mit diesem Album werden sämtliche Americana Klischees abgehandelt. Absolut nichts Neues und komplett überflüssig. Aber sehr, sehr wahrscheinlich gibt es einen Markt vor diese Art von Musik. Ich finde das ganze Album eintönig und langweilig. Schade um das große Talent. Ich hole mir was zu Trinken…
Links zu Chris Kläfford
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- Chris Kläfford – What I’m Running From: Klischees ohne Ende
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