Jetzt doch Gerry Rafferty. Eigentlich wollte ich zuerst über Joe Egan schreiben. Aber in meinem Player lief gerade eher zufällig dieses Album, das ich in den letzten Jahren aus den Augen verloren hatte. „Can I have my money back?“ ist das erste Soloalbum von Gerry Rafferty, 1971 erschienen und ist ganz und gar wunderbar.
Gerry Rafferty und Joe Egan
Rafferty war damals teil eines Comedy-Duo und war dem Plattenlabel noch ein Album schuldig. Um seinen Vertrag zu erfüllen nahm er zum Abschluss mit seinem Schulfreund Joe Egan diese Platte auf. Anschließend gründeten die beiden die Band „Stealer’s Wheel“ und machten Folkrock. Bekannt wurde die Band dann vor allem mit „Stuck in the middle with you“ oder auch „Star“. Schade, Raffertys erstes Album „Can I have my money back“ ging sang- und klanglos unter. Dabei waren hier viel bessere Songs zu hören, als auf den drei folgenden Alben mit Stealer’s Wheel.
Auf Klassenfahrt mit „City to City“
20. Mai 1978. An diesem Samstag musste ich mir noch unbedingt diese eine Platte kaufen. Ich hatte den Song im Radio gehört. Ich mochte keine Blasinstrumente, das war doch James Last und gehörte eher zu meinen Eltern und nicht zu mir. Doch das Saxofon auf „Baker Street“ war anders. Eingebettet in einem tollen Song, der mit einem unglaublich feinem Intro startet bevor das Saxofon übernimmt. Die Klangfarbe der Stimme erinnerte mich sofort an Paul McCartney. Ich setzte mich auf mein Fahrrad und fuhr wie immer die Erkrather Straße hoch, runter zum Worringerplatz, dann weiter durch die Stadt bis zum Karlsplatz. Dort kettete ich das Rad an einen Fahrradständer, klapperte meine Schallplattenläden ab, um schlussendlich „City to City“ für 14,80 DM im Studio 33 im Altstadt-Center zu kaufen.
Am nächsten Tag ging es dann mit meiner Klasse auf Abschlussfahrt. Wir fuhren mit dem Zug nach Österreich. Im Haus Brunhilde in Fusch an der Großglocknerstrasse teilte ich mir mit Thomas, Wolfgang und Gisbert ein Zimmer. Während Gisbert den mitgebrachten Radiorekorder aufbaute, holte ich die brandneu aufgenommene Cassette mit dem „City to City“ Album raus. Doch irgendwie passten die Titel, die ich auf die Hülle gekritzelt hatte, nicht mit der Reihenfolge auf der Cassette zusammen. Statt mit „The Ark“ startete das Album mit „Home & dry“. Eine Fehlpressung. Egal, danach kam „Baker Street“ und wir hatten unseren Song für die Abschlußfahrt gefunden. Gisbert und ich zumindest, die anderen hörten lieber David Bowie oder Status Quo.
Can I Have My Money Back? – Ganz und gar wunderbar!
Wie finde ich jetzt den Übergang zu „Can I have my money back?“? Und kommen hier wirklich zwei Fragezeichen hin? Wenige Monate nach dem Riesenerfolg von „City to City“ erinnerte sich die alte Plattenfirma von Rafferty an das erfolglose erste Album und versuchte, sich an den weltweiten Erfolg dranzuhängen. In der Oktoberausgabe des Musik Express erschien in einer Randspalte eine kurze LP-Kritik. Es war nur ein Satz, der sinngemäß lautete „Eine Wiederveröffentlichung von 1971 und ganz wunderbar“ (siehe oben). Diesen Satz habe ich mir bis heute gemerkt.
Deshalb ging es dann am 14. Oktober 1978 auf dem bereits oben beschriebenen Weg zu Govi am Karlsplatz, um dieses Album zu kaufen. Transatlantic hieß das Label, das Cover trug erneut eine Zeichnung von John Patrick Byrne und die Stücke, die ich zu hören bekam, waren konziser und sehr hörenswert.
„New Street Blues“ eröffnet das Album betont rockig und man spürt, wieviel Spaß die Musiker bei diesem Stück hatten, es gibt immer wieder anfeuernde Zurufe der beiden Sänger Rafferty und Egan untereinander. Das Album ist zeitgemäß arrangiert und nicht zwingend mit dem sieben Jahre später erschienen „City to City“ vergleichbar. Gut, die Melodien sind alle da, der Backgroundgesang klingt hier abwechslungsreicher und angenehmer, aber der Mix ist Anfang der siebziger Jahre noch nicht so fett. Immer wieder fallen einem die Beatles ein. Vor allem der Titelsong erinnert mit seiner Fiedel an „Rocky Raccoon“. Und auch der herrliche Melodienbass in „Sign on the dotted line“ klingt nach Paul McCartney. Rafferty erzählte in einem Interview, dass immer wenn im Kino der Film stillstand, alle „Can I have my money back?“ gerufen haben.
Gerry Rafferty und Mary Skeffington
Über alle Zweifel erhaben sind sämtliche Kompositionen. Rafferty zeigt hier bereits all sein Können. Was man kritisieren mag, ist die Länge der Songs. Sie sind viel zu kurz, weil eben viel zu gut. Wer dies nicht glauben will, der höre sich „To each and everyone“ oder auch „Mary Skeffington“ an. Besser geht es nicht. In den späteren Jahren nahm Rafferty sich mehr Zeit für seine Songs, die fast immer 5 bis 6 Minuten dauerten. Auch „Baker Street“ ist dann richtig, wenn man die lange Version hört und eben nicht die gekürzte Single-Fassung.
„Mary Skeffington“ schrieb Rafferty für seine Mutter, die ihn vor seinem alkoholabhängigen und gewalttätigen Vater beschützte. Der Song hat eine wirklich schöne Melodie und wurde unter anderem auch von der erst kürzlich verstorbenen Olivia Newton-John gecovert und erschien 1974 auf ihrem Album „If you love me let me know“.
Raffertys Vermächtnis
Gerry Rafferty hat zum Ende seines Lebens für eher unschöne Schlagzeilen in der Presse gesorgt. Der Mann war schwer leberkrank und ist viel zu früh gestorben. Ich erinnere mich an einen Zeitungsartikel, in dem berichtet wurde, dass der Musiker ohne jede Spur aus einem Krankenhaus verschwand. Niemand wußte, wo er abgeblieben war. Später kam heraus, dass er in der Toskana an neuen Songs gearbeitet haben soll. Rafferty starb 2011 und hinterließ eine eigenwillige Biografie. Er konnte mit dem Druck, den das Musikgeschäft auf einen Künstler ausübte nur sehr schlecht umgehen. Hinzu kam noch sein Lampenfieber und dadurch der nur allzu verständliche Wunsch, nicht auf Tour zu gehen.
Wer „City to City“ mochte, wird mit diesem ersten Soloalbum von Rafferty seine pure Freude haben. Alle 13 Songs sind toll. Und wenn die Platte mit „Where I belong“ endet, freut man sich umso mehr darauf, anschließend die Alben von Stealer’s Wheel abzuspielen oder mit Raffertys Soloalben fortzufahren. Und wenn man ganz schlau ist, sucht man nach Joe Egans erstem Soloalbum „Out of nowhere „. Das findet man für kleines Geld in der Grabbelkiste auf dem Trödelmarkt.
Baker Street – Wer hat’s erfunden?
Und noch ein paar Worte zum legendären Saxophon-Riff auf „Baker Street“. Viele Leute hielten Raphael Ravenscroft lange Jahre für denjenigen, der mit seinem Riff den Song so erfolgreich machte. Doch mittlerweile gibt es eine Demoversion des Songs, auf dem die Melodie von Rafferty auf der Gitarre gespielt wird. Lange bevor Ravenscroft genau diese Melodie auf dem Saxophon nachspielte. Es war also Rafferty selbst, der die Melodie fand. Oder doch nicht? 1968 spielte Steve Marcus sein Jazz-Album „Tomorrow never knows“ ein. Darauf befindet sich der Song „Half a heart“. Möglicherweise hat sich Rafferty hier Inspiration geholt. Wer weiß das schon? Jedenfalls ist das Sax auf „Baker Street“ so dominant, dass man leider den Rest des Intros völlig überhört. Da ist so viel mehr, beginnend mit den hohen Tönen des Keyboards, der Einstieg der Becken, dann der lang gezogene Ton, wahrscheinlich mit den Bongos erzeugt und nicht vom Bass gespielt, und und und…und wir haben dabei noch gar nicht über das grandiose Gitarrensolo von Hugh Burns gesprochen.
Daten zur Pressung Can I Have My Money Back?
Erscheinungsjahr | 1971 / 1978 |
Herkunftsland | Deutschland |
Katalognummer | 0064.013 |
Label | Metronome |
Preis | Die Schallplatte gibt’s bei Amazon gebraucht für ca. 15 Euro* |
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