Lukas sagt, ich soll doch etwas über Pilgrimage schreiben, weil ich doch dieses Wishbone-Ash-T-Shirt mit dem Cover habe…
1976 traten Wishbone Ash im Rockpalast auf. Die Band spielte Songs ihres aktuellen Albums „New England“ als auch einige Klassiker, darunter auch eine starke Fassung von „Jail Bait“, einem Stück von „Pilgrimage“. Zwei Jahre später fand ich dieses Album bei „Music Shop“ in Düsseldorf auf dem Wühltisch für 9,90 DM. Das Cover sah interessant aus, die Musik war es eher nicht. Ich konnte schon mit dem Opener nichts anfangen – hatte ich die Band falsch in Erinnerung? Das Rockpalast-Konzert hatte so gar nichts mit dieser Platte zu tun.
Pilgrimage – das Album nach einer langen Tour
Nach dem ersten Album ging die Band ausgiebig auf Tour. Da gab es wenig Zeit, um Neues auszuprobieren. Also verließ sich die Band auf Songs, die sie bereits live gespielt hatten. „Vas dis“, das erste Stück des Albums, war eine Coverversion von Jack Mc Duff, einem amerikanischen Jazz-Organisten. Die Band wollte damit zeigen, dass man durchaus Jazzstücke auch in Rock umwandeln konnte. Derek Lawrence ließ einfach während der Probe das Band mitlaufen, ohne das die Band davon wusste. Das Ergebnis kann man hier hören, das Stück lebt vor allem vom Zusammenspiel des Bassisten Martin Turner und dem Schlagzeuger Steve Upton, die mittlerweile perfekt harmonierten.
The Pilgrim
„The Pilgrim“startet leise, während Andy Powell im Hintergrund die Melodie auf Gitarre mehr oder weniger improvisiert, begleitet Ted Turner mit seiner Gitarre den Basslauf. Vielleicht war dies bereits die Stelle, an der ich damals ausstieg und die Platte wieder zur Seite legte. Das redundante Spiel der Instrumente empfand ich als langweilig, es passierte nicht das, was ich erwartet hatte. Wo waren denn die Gitarren, die unisono schöne und vor allem lange Gitarrensoli spielten? Die kommen erst im zweiten Teil von „The Pilgrim“ zum Tragen. Aber da hatte ich bereits den Plattenspieler ausgemacht. Also, durchhalten beim Anhören, es gibt viel zu entdecken. Steve Upton spielt auf dem Schlagzeug durchweg mit allen Fellen, die ihm zur Verfügung stehen. Die Bassgitarre von Martin Turner unterstreicht die Einzigartigkeit dieser Art von Musik, die Band spielt Blues und Rock und läßt sich dabei vom Jazz inspirieren.
Die Visitenkarte des Albums heißt „Jail Bait“
Wie bereits anfangs erwähnt, spielten Wishbone Ash 1976 bei ihrem Rockpalast-Auftritt in der Kölner Sporthalle „Jail Bait“ in einer hinreißenden Live-Fassung. Auf diesem Album ist das Stück neben „Valediction“ aus meiner Sicht das Highlight. Die Band erzählt, dass sie das Stück innerhalb weniger Minuten geschrieben haben. Der Text wurde dabei von Ted Turner geschrieben und von Steve Upton ergänzt bzw. überarbeitet. Noch heute zählt das Stück zu meinen Favoriten von Wishbone Ash. Möglicherweise ist das Werk auch kennzeichnend für die gesamte Musik dieser Band. Ein unglaubliche Geschwindigkeit geht davon aus. Und das Merkwürdige dabei ist, dass es gar nicht sooo schnell gespielt wird. Man hat einfach nur den Eindruck, dass das Tempo während des Stücks immer mehr anzieht. Das macht exakt die Faszination dieser Art von Musik aus.
Bei „Alone“ handelt es sich um einen älteren Song, bei dem der Gesangspart von Martin Turner auf Vorschlag des Produzenten rausgeschnitten wurde. Dadurch verkürzte sich die Spieldauer um satte 4 Minuten und übrig blieb ein kurzes Instrumentalstück, dass die erste Seite abschließt.
Pilgrimage – zwei Seiten einer Medaille
Die zweite Seite des Albums beginnt ebenfalls mit einer ruhigen, instrumentalen Nummer. „Lullaby“ besticht durch mehrere verschiedene Melodien die von der elektrischen und akustischen Gitarre und auch dem Bass gespielt werden.
Und auch das folgende Stück startet fast nahtlos in der gleichen ruhigen Stimmung. „Valediction“ wird von Andy Powell gesungen, Martin Turner steuert den Background-Gesang bei. Und hier hören wir auch zum ersten Mal die von mir gesuchten wunderschönen Gitarrenmelodien. Das Lied strahlt einen Wohlklang aus, den die Band erst auf ihrem folgenden Album perfektioniert. Sehr schön ist auch der Reggae-Einschlag, mit dem der Song endet.
Das Album endet mit einer Live-Aufnahme von „Where were you tomorrow“, das in die gleiche Richtung geht wie „Jail Bait“. Mit der Studio-Aufnahme dieses Stückes war die Band zum damaligen Zeitpunkt nicht zufrieden, mit dieser Live-Aufnahme schon. Es handelt sich hierbei um einen Blues-Rock-Song, bei dem jeder der Musiker zum Zuge kommt und noch einmal verdeutlicht, was Wishbone Ash noch heute live ausmacht – eine Spielfreude die ihresgleichen sucht.
Das Album hat mir damals nicht gefallen und auch heute fällt es mir nicht leicht, darüber viele Worte zu verlieren. Trotzdem ist es ein wichtiger Baustein und macht am Ende Platz für das alles überstrahlende dritte Album der Band, nämlich „Argus“. Doch auch „Pilgrimage“ hat seine guten Momente. Die sehr guten Momente bewahrt die Band sich (noch) für später auf.
Auf der CD-Fassung gibt es als Bonus noch eine Live-Fassung von „Jail Bait“. Die nehme ich gerne mit. Und das T-Shirt trage ich diesen Sommer wieder.
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