Flaming Bess: Wrinkle Of Time als Zeitreise-Album

Meinem Kollegen Klaus-Dieter Bussmann verdanke ich viele wunderbare Inspirationen. Irgendwann sprachen wir auch über unsere Krautrock-Helden aus den siebziger Jahren und da Klaus-Dieter ein paar Jahre älter war als ich, war er natürlich viel tiefer im Thema. Er brachte „Neu“ und auch „Ashra Tempel“ ins Spiel, oder auch „Harmonia“ und „Jane“.

Aber ich konnte kontern, in dem ich ihm erklärte, dass mein ehemaliger Kollege Achim bei Flaming Bess die Gitarre spielt und mir damals Snowball, Camel und Gentle Giant näher gebracht hat. Wurde das erste Flaming Bess Album „Tanz der Götter“ noch ohne Achim eingespielt, ist er seit dem zweiten Album „Verlorene Welt“ mit an Bord und hat das Schiff bis heute nicht verlassen. Gut so.

Kobaltblaue Königin…

Das wohl letzte gemeinsame Album der Band erschien bereits 2023. Musikalisch ist sich die Band treu geblieben. Denn es gibt wieder einen Geschichtenerzähler, jede Menge progressive Rockmusik und wunderbare sämige Longtracks, ihr wisst, was ich meine. Das Cover ist geschmackvoll, kobaltblau und zeigt natürlich Flaming Bess. Und vielleicht auch die Gartenmauer meines Nachbarn am linken Niederrhein.

Wrinkle Of Time
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Das Foto zeigt das Albumcover "Wrinkle of Time" von Flaming Bess
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… im Schatten der Dämmerung

Eröffnet wird der Songreigen mit „Shadows Of Dawn“. Ein straighter Einstieg mit der sonoren Gesangsstimme von Mike Hartmann. Der etwas vertrackte Rhythmus stampft nach vorn und erste Gitarrelicks vermischen sich mit einem wirklich schönen Harmonie-Gesang. Und dann endlich gibt es ein erstes Solo auf der nach oben offenen Camel-Skala. Ich muss gestehen, dass ich mit so einem Opener nicht gerechnet habe. Habe ich also in den letzten Jahren doch etwas verpasst.

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Die Story wird weiterhin in deutscher Sprache erzählt, das ist auch gut so. Der Wiedererkennungswert ist notwendig und auch der USP dieser Band. Weiter geht es mit dem ersten richtigen Longtrack „Wrinkle Of Time“ dem Titelsong des Albums. Die Keys werden von Peter Figge gespielt und ich frage mich, wann endlich seine alten Scylla-Songs bei YouTube zu finden sind („Cindy“ zum Beispiel, war damals leider nicht auf meiner Cassette). Würde mich freuen.

Auch bei „Wrinkle Of Time“ gibt es diese langgezogenen Töne auf der Leadgitarre. Achim Wierschem spielt hier alles sehr „sustainable.“ Ab 4:20 min fließen auch die Keys und irgendwas erinnert mich an Genesis (Ist es die „Cinema Show“?). Wenn dann noch die unisono gespielten Gitarren übernehmen und in den nächsten Teil des Tracks einführen, ist alles am richtigen Platz.

David Gilmour? Wer war das nochmal?

„On The Edge“ bietet uns ein kurzes Intermezzo, um Luft zum Atmen zu holen, bevor es mit „Distance“ bereits den zweiten Longtrack des Albums gibt. Ein klassisch ruhiger Anfang, gespielt auf dem Piano. Zu diesem Stück hat die Band auch ein Video produziert.

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Wir dürfen uns auf einen kurzen Pan-Flöten-Sound freuen, bevor der Meister aller elektrischen Gitarren seine Finger über die Saiten gleiten lässt. Dann steigt die Band ein und alles fließt. So geht progressive, zeitgenössische Rockmusik. Und ich hole jetzt mal ganz weit aus und behaupte, dass die letzten beiden Alben von David Gilmour im Gegensatz zu diesem Album stinklangweilig sind. Und völlig unverdient millionenfach Zuhörer findet.

Gitarren, Keys, Drums – alles was man braucht gibt’s von Flaming Bess

„Cold Comes The Night“ lässt einen alles andere als kalt, das ist sehr geschmackvoll komponiert und auch wenn die Keys im Hintergrund vielleicht eine wenig süßlich klingen, reißt der Gitarrensound alles raus. Und auch die von Hans Schweiss gespielten Drums sind mal straight, mal fordernd und immer songorientiert gespielt. Wenn dann noch ab etwa der dritten Minute das Piano im Hintergrund perlt, wird alles gut.

Auch „Time Flies“ beginnt mit einem Klavier, welches im weiteren Verlauf sehr schön mit dem Bass korrespondiert, bevor die Gitarre übernimmt und das Tempo anzieht. Der Song gleitet auf eine fliegenden Teppich dahin und die Keys setzen eigene Akzente. Das klingt verteufelt nach 1980, als ob die Zeit stehengeblieben ist. Jetzt ergibt auch der Titel Sinn.

„Dreamfall“ wird von einer weiblichen Stimme getragen und ganz besonders mag ich, wie schon immer, den Klang des E-Pianos. Die Drums treiben den Song an und sind an keiner Stelle nur bloßes Beiwerk. Und dann haut einen das Gitarrensolo erneut aus den Socken. Auch die akustischen Gitarrentöne habe ich schon einmal irgendwo gehört, welches Genesis-Album war das noch einmal? Egal.

Der Wind der Hoffnung

Okay, bei „Wind Of Hope“ meine ich aber, „The Geese and the Ghost“ von Anthony Philipps zu hören, keine schlechte Referenz, oder? Ich muss immer wieder gestehen, dass ich kein Musiker bin und keine Ahnung von Harmonien oder auch der Elementarlehre habe. Ich kann immer nur dass beschreiben, was ich gerade höre, fühle oder an was ich dabei erinnert werde. Vielleicht sind all die Vergleiche weit her geholt. Letztendlich verhandeln wir hier aber ein wunderschönes Album, dass ich ohne wenn und aber weiterempfehlen kann. Und auch wenn beim nächsten Song („Now I Regret“) jemand etwas bedauert, dann sollte es aber nicht diese Art von „Musikmachen“ sein. Ganz im Gegenteil.

Flaming Bess sollten weitermachen!

„Scriptum Praeterita 2“ bietet uns noch einen letzten Epilog und fordert am Ende „Singt weiter“, dann begleitet uns die Band mit „Universal Mind“ nach Hause. Flirrende Synthesizer-Sounds, Drums, und dann endlich die Gitarre, die alles auflöst und gemeinsam mit den Keys die Soli vorantreibt (wo hab ich das nur schon einmal gehört?). Nach diesem Stück ist das Album zu Ende. Und ich muss mir noch einmal die anderen Scheiben der Band anhören.

Flaming Bess von links nach rechts: Peter Figge, Achim Wierschem, Hans Wende, Hans Schweiss

Nicht, dass Ihr mich missversteht – wenn mich diese Musik an Genesis oder auch Camel erinnert, ist dies immer positiv gemeint – ich vermisse diese Art von Musik seit den frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Und ich erinnere mich an ein kurzes Gespräch mit Achim in einer Mittagspause, es muss Anfang 1980 gewesen sein. Wir sprachen über das neu angekündigte Genesis-Album Duke und ich erzählte ihm, dass ich gerüchteweise gehört habe, dass das Album wieder aus langen Stücken bestehen soll. Achim meinte dazu nur lakonisch, dies wäre nur konsequent.

„Duke“ war zwar aus meiner Sicht ein letztes großartiges Aufbäumen, doch Banks, Rutherford und Collins hatten sich doch nicht dazu aufraffen können, die Duke-Suite als einen Longtrack zu präsentieren. Den findet man wenn man sucht auf irgendeiner Fan-Seite bei YouTube. Gottseidank gibt es noch Bands wie Flaming Bess, die das kobaltblaue Zepter hochhalten und uns frohen Mutes zurufen: „Singt weiter…“

Erstklassige Produktion von Flaming Bess

Ein letztes Wort zur Produktion – das alles ist erstklassig und hochprofessionell eingespielt und umgesetzt. Aus meiner Sicht kann es ruhig noch ein weiteres Album mit denselben Zutaten geben, ich kann davon nicht genug bekommen, für mich dürfen die Götter noch weiter tanzen.

Gottseidank habe ich bereits Karten für mein viertes Steve Hackett Konzert im Frühjahr in Essen in der Schublade liegen. The Lamb lies immer noch down am Broadway. Wäre aber auch schön, wenn mir der Schatten des Hierophanten ein paar Geheimnisse enthüllen würde, nämlich ob Flaming Bess doch noch einmal…


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