Geschickt verpackt – Lucy van Kuhl: Mehr Cellophan geht nicht

Lucy van Kuhl – Pianistin, Musikkabarettistin und seit 2018 fester Bestandteil von Konstantin Weckers Label Sturm & Klang – hat sich in der deutschsprachigen Liedermacher‑Szene als gewitzte Chronistin des Alltags etabliert. Ihr fünftes Studioalbum „Geschickt verpackt“ erscheint am 8. Mai 2025 und soll laut Labelankündigung erneut den Spagat zwischen fein gearbeiteten Klavierarrangements und satirischem Biss wagen. Kein Geringerer als Wecker schwärmt: „Lucy van Kuhls Art zu musizieren und zu singen begeistert mich, ihre Worte sind poetisch und ironisch. Sie schafft ausdrucksstarke Bilder und setzt sie musikalisch ganz zauberhaft um.“ 

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Nach „Alles auf Liebe“ (2021) und „Auf den zweiten Blick“ (2023) zieht „Geschickt verpackt“ den roten Faden ihres Schaffens weiter: Gesellschaftsbeobachtung, diesmal fokussiert auf die psychologischen Tricks von Werbung, Politik und Konsum. Mit ihrer Vita – Germanistik‑, Geschichts‑ und Musikwissenschafts‑Studium plus klassischem Klavierdiplom – bringt van Kuhl sowohl sprachliches Feingefühl als auch solides Handwerk mit.

Lucy mag keine Werbung

Die gleichnamige Single „Geschickt verpackt“ nimmt die Suggestionstricks der Werbeindustrie unter die Lupe: Limited Editions, Sparpreise, fancy Jobtitles – alles hübsch drapiert, doch selten substanziell. Lucy kontert mit einem Refrain, der wie ein Slogan im Ohr bleibt, nur dass hier der Jingle das Gegenteil dessen bewirbt, was Hochglanzplakate versprechen. Textlich unterstützt von Edith Jeske, folgt jede Strophe einem klaren Aufbau: These, überzeichnetes Beispiel, ironischer Punchline.

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Ähnlich frontal sind „Deutsche Bahn (Der Weg ist das Ziel)“ – eine verspätete Liebeserklärung an defekte Klimaanlagen – und „Vorurteile“, wo Klischees im Akkord abgefeuert werden. Aber der Kapitalismuskritik und der AfD‑Schelte fehlen die Zwischentöne. Statt feiner Nadel wird hier die Breitseite gewählt. Das wirkt auf mich als Fan von den Ärzten oder K.I.Z. weniger künstlerisch wertvoll.

Kontraste und Wechsel

Produzent Florian Moser setzt auf Kontraste: klassisches Klavier trifft Rap‑ähnlichen Sprechgesang, Cello‑Leads von Nenad Uskokovic wechseln mit treibendem Schlagzeug (Lorenzo Riessler). Gerade diese plötzlichen Tempo‑ und Stilwechsel machen den Kern der Lucy‑Ästhetik aus – und zugleich den Stolperstein für Hörer, die Stringenz erwarten. Melodisch sind viele Refrains eher sprechgesanglich skizziert als voll ausgesungen. Wer auf große Hooklines hofft, wird hier nicht fündig. Dafür bietet das Album mit rhythmischer Vielfalt – von Chanson‑Leichtigkeit („Ich schweig so gern mit dir“) bis Boogie‑Woogie‑Anflügen („Ü80‑Party“). Mir persönlich gefällt es leider nicht so und lässt mich zügig durchs Album skippen.

Die CD enthält ein Booklet inklusive der Songtexte.

Der Mix bleibt transparent: Klavier vorne, Vocals klar verständlich, Chorpassagen der vierköpfigen Männercombo sorgen für theatrale Breite. Was fehlt, ist gelegentlich die dynamische Zurücknahme – manche Pointen würden stärker sitzen, hätte der Arrangement‑Wogenkamm mehr Ruhezonen.

Persönlicher Höreindruck

In der Nische zwischen Klavier‑Kabarett und Pop‐Satire sitzt Lucy van Kuhl fast allein auf weiter Flur. Namen wie Bodo Wartke (sprachverliebt, aber musikalisch homogener) oder Rainald Grebe (surrealer) kommen in den Sinn. Aber im direkten Vergleich zum Beispiel mit Danger Dan wirkt ihre Kritik vordergründiger und weniger metaphorisch.

Tracklist

Hier die ehrlich‐subjektive Sicht: Die abrupten Stil‑ und Tempowechsel können anstrengend sein, weil sie das Ohr ständig neu kalibrieren. Wer melodische Bögen erwartet, vermisst sie, wer das Spiel mit Formen liebt, applaudiert. Die Kapitalismus‑ und Bahn‑Spitzen treffen ins Schwarze, doch bewegen sich selten jenseits bekannter Punchlines – „platt“, wenn man nach feiner Satire sucht, „prägnant“, wenn man klare Kante bevorzugt.

Fazit: Cellophan statt Geschenkpapier

„Geschickt verpackt“ ist der falsche Titel – Lucy van Kuhl liefert ihre Gesellschaftskritik in transparentem Cellophan. Statt feiner Zwischentöne gibt es klare Parolen, ordentlich vorgetragen, aber selten doppelt codiert. Wer subtile Satire mit doppeltem Boden sucht, wird hier nicht fündig. Wer lieber sofort weiß, wo der Hammer hängt, bekommt zwölf Stücke unverblümt serviert. Musikalisch überzeugt das Album durch handwerklich starkes Klavierspiel und abwechslungsreiche Arrangements, doch die brachiale Text­offenheit wirkt mitunter ermüdend.

Empfehlung:

Nein für Liebhaber raffinierter, mehrschichtiger Satire – da bleibt der durchsichtige Cellophan‑Look zu einseitig.

Ja für Hörer, die direkte Kabarett‑Ansagen mögen und ihre Kritik gerne ohne Rätselraten konsumieren.


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